NÖ: Industriebosse warnen anhand von dramatischer Studie vor Abwanderung

IWI-Forscher Herwig Schneider, Veit Schmid-Schmidsfelden (Fachgruppenobmann Metall-Industrie), Helmut Schwarzl (WK-Spartenobmann Industrie)
Massive Verschlechterungen der Rahmenbedingungen in der Produktion, fehlendes Wirtschaftswachstum und zu wenig Gehör bei verantwortlichen Bundespolitikern lassen bei den Repräsentanten der 1.000 Industriebetriebe in Niederösterreich die Alarmglocken schrillen.
Sie fürchten eine gravierende Standortverschlechterung und sogar eine "Deindustrialisierung“. Mit einer wissenschaftlichen Studie wollen sie die möglichen dramatischen Folgen aufzeigen: Wenn nur 19 führende Betriebe ins Ausland abwandern, droht Wohlstandsverlust und ein Milliardenschaden im Steuertopf.

Auch aus NÖ kommt dringender Appell an die noch gar nicht funktiuonsfähige neue Regierung
In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit sei die Leistung der Industrie vielfach massiv unterschätzt, begründen Helmut Schwarzl, der WK-Spartenobmann für die Industrie und Veit Schmid-Schmidsfelden der Fachgruppenobmann der dominanten metalltechnischen Industrie, ihre Aktion.
259.000 Menschen beschäftigt
Immerhin werden in der Sparte Industrie in NÖ direkt 94.000 und über mitprofitierende Gewerbebetriebe über 259.000 Menschen beschäftigt.
"Wir wollen gerade in den vielen aktuellen Diskussionen auf den Stellenwert der Industrie hinweisen und dabei alle Stakeholder miteinbeziehen, von der Politik bis zur Gesellschaft“, sagt Schwarzl.
Dass die Industrie für 14 Prozent des Bruttoinlandprodukts, die Landwirtschaft und der Tourismus zusammen aber nur für die Hälfte verantwortlich sind, sei weitgehend unbekannt, ergänzt Mitstreiter Schmid-Schmidsfelden.
Abwanderungsgelüste
"Wir sehen jetzt, dass eine ganze Reihe von Managern und Eigentümern von Betrieben ernsthaft überlegen, vom Standort Niederösterreich aus einen anderen zu suchen und in Konkurrenzregionen auszuweichen, um von der Kostenseite her überleben zu können. Die Lohnentwicklung der letzten drei Jahre macht uns Sorgen“, sagt Schmid-Schmidsfelden.

Wachgerüttelt durch dramatische Kennzahlen, etwa die höchsten Lohnstückkosten unter allen EU-Ländern oder die Abwanderungsgelüste der Unternehmen, beauftragten die Spartensprecher das Institut IWI mit einer brisanten Studie, „die ein anschauliches Bild zur Leistung der Industrie abgeben soll“.
"Waren selbst erstaunt"
Das "Wissenschaftliche Industrieinstitut“ wählte 19 wichtige Betriebe aus, deren Namen und Standorte nicht genannt werden. In einer Simulation der realen Daten wurde für das Jahr 2028 hochgerechnet, welche Auswirkungen es hätte, wenn diese Firmen mit 57.000 Beschäftigten nicht mehr in NÖ produzieren würden. „Wir waren selbst über die Ergebnisse erstaunt“, gesteht Schwarzl.
Die Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Landesgefüge wären schlicht dramatisch. So würden dem Staat und dem Land gleich einmal 1,93 Milliarden Euro Steuern und Abgaben pro Jahr verloren gehen.
Um die Vergleiche plastischer werden zu lassen, stellt IWI-Forscher Herwig Schneider die Beträge über Dienstleistungen der öffentlichen Hand dar. So würden die 1,93 Milliarden Investitionen in die nö. Bahninfrastruktur über 17 Jahre entsprechen oder der Anschaffung von 3.800 Feuerwehrfahrzeugen.
Genauso entspreche diese Summe dem vierfachen Budget des nö. Schulentwicklungsplans, dem Landesbudget für Bildung und Wissenschaft und dem Jahresgehalt von 60.800 Kindergartenpädagoginnen zusammen. In einem anderen Vergleich geht es um die Gesundheitsversorgung: 1,93 Milliarden Euro entsprechen dem Zweijahresbudget der 27 Landeskliniken sowie der 50 Landespflegehäuser.
Neben weiteren drastischen Vergleichen verweist Schneider auch auf die Dramatik bei den Arbeitsplätzen. Jeder wegfallende Arbeitsplatz in der Industrie würde mindestens einen weiteren im wirtschaftlichen Umfeld mitreißen, erklärt er.
Soziale Verantwortung
In einem Teil der Studie wurde in den Betrieben auch die sozialen Leistungen für ihre Heimatregionen erfragt. Schneider: "Es zeigte sich eine unglaublich soziale Verantwortung der Unternehmen in ihren Regionen, da werden Feuerwehrausrüstungen, Sportveranstaltungen, Kultur-Events und viele Vereine unterstützt.
Man ist tief verwurzelt in der Region, weil es sich oft um Familienbetriebe handelt. Das sind alles regionale Leitbetriebe, die übernehmen Verantwortung in ihren Wertschöpfungssystemen, aber auch in ihrem sozialen Umfeld.“ Man müsse sehr vorsichtig sein, um derartige Schätze nicht für immer zu verlieren, warnt Schneider.
Eine Warnung, die Schwarzl und Schmidsfelsen als Fazit der Studie in einen kleinen, aber umso dringlicheren Forderungskatalog an die Politik umwandeln. Generell müsse ein besseres Verständnis für Industriestandorte entwickelt werden und die Kosten für Arbeit seien im Sinne des internationalen Wettbewerbs rasch zu senken.
Überbordende Bürokratie
Ebenso gelte es die überbordende und bremsende Bürokratie abzubauen. Weil in NÖ eine sehr energieintensive Industrie produziere, sei kostengünstige Energie samt Infrastruktur eines der weiteren Hauptliegen, so die Industriesprecher. Als besonders dringend, allerdings von der aktuellen Regierung negiert, wird die Forderung nach einem neuen Kurzarbeitszeitmodell gestellt. Nur so könne man bestens ausgebildete Mitarbeiter bei wirtschaftlichen Einbrüchen für Zeit des Aufschwungs halten.
Für Schwarzl und Schmid-Schmidsfelden sind diese Maßnahmen Voraussetzungen für "eine vertrauensvolle Standortpolitik“ und bereits Aufgabe der nächsten Bundesregierung. Schmid-Schmidsfelden: "Es kann nicht sein, dass sich die neue Regierung zusammensetzt und fragt, was machen wir jetzt. Die Programme müssen vorbereitet sein, das gehört ins Regierungsprogramm hinein“.
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