Ilse Bayer: Eine Frau für 196 Kinderwagen
Weil ihr der eigene Puppenwagen nicht gefiel, baute sie mit acht Jahren kurzerhand aus Holzresten ein anderes Modell. Mittlerweile besitzt Ilse Bayer aus Scharndorf, NÖ, 196 Kinderwagen. „Ich sehe vor meinem geistigen Auge das Kind darin“, erklärt die 76-Jährige ihre Sammel-Leidenschaft.
In ihrem Kinderwagenmuseum, das passenderweise im alten Kindergarten des Ortes zu finden ist, hat Bayer akribisch die Geschichte der Wagen recherchiert. Ihr ältestes Modell stammt aus dem Jahr 1852, das neueste aus 2008.
Design hatte es Bayer schon immer angetan. „Mit 12 habe ich begonnen, auf die Nachbarskinder aufzupassen. Und ich habe immer lieber auf die aufgepasst, die schöne Kinderwagen hatten“, erinnert sie sich. Auch bei den Wagen für ihren eigenen Nachwuchs zählte für Bayer die Optik.
Tiefergelegt
Denn wie bei fast allen Dingen ist auch bei den Kinderwagen das Design dem Wandel der Zeit unterworfen – wie man in ihrem Museum verfolgen kann. Erst waren die Konstruktionen aus Korbgeflecht, dann aus Holz, später sogar aus Metall. Sie hatten mal große Räder, dann kleine. In den 1930er-Jahren wurden die Kinderwagen tiefergelegt, später wanderten die Körbe wieder nach oben. Es gab klassische Wagen, Sportsitzer oder ab den 1930ern Kombikinderwagen. Manche hatten sogar Schiebefenster. Zu den frühen Produzenten gehörten übrigens Autohersteller wie Opel, die die Wagen gerne im Design ihrer Fahrzeuge anboten.
Bayer selbst kam jedenfalls bei ihren fünf Kindern auf insgesamt 32 Kinderwagen. Und auch später, als die Kinder größer waren, sammelte sie weiter. „Ich hab einen Wagen auf einem Flohmarkt gesehen und noch einen und noch einen“, erinnert sich die ehemalige Sekretärin. Irgendwann war im Haus kein Platz mehr und als 2003 das Angebot kam, die Wagen im alten Kindergarten unterzubringen, nahm sie an.
Handarbeit
Ab da – nach der Pensionierung – ging es so richtig los. Blitzartig, sagt Bayer, hatte sie mehr als 100 Stück. Vor allem im ehemaligen Osten hätte sie viele Modelle gefunden. Bis zu 600 Euro nahm die Sammlerin für einen Wagen in die Hand. 2005 eröffnete sie ihr Museum, das mittwochvormittags geöffnet ist.
Die desolatesten Wagen restauriert Bayer alle selber. Bis zu neun Monaten kann das dauern. Dafür sucht sie akribisch nach den Original-Stoffen, -Lacken oder -Matratzen sowie den Original-Katalogen der Hersteller. Fündig wird sie etwa im Internet oder auch in alten Zeitungen. „Ich versuche die Dinge wirklich originalgetreu zu lassen“, sagt sie. Zubehör wie Decken und Polster näht sie nach alten Schnittmustern. Weisen die Kinderwagen nur leichte Gebrauchsspuren auf, dürfen sie bei Bayer übrigens im Original-Zustand bleiben.
Zu den prunkvollsten Stücken ihrer Sammlung zählt wohl ein Wagen aus 1886. Das Modell stammte aus einer Brandruine, war voller Motten. Nun wird der restaurierte Wagen mit den prunkvollen blauen Vorhängen am Verdeck an die Schallaburg für die Ausstellung „Kind sein“ verliehen.
Neben den Wagen finden sich auch alte Puppen, Kinderkleidung und Werbematerial in Bayers Sammlung. „Ich brauche ein halbes Jahr, bis ich durch bin, alle Polster und Kleider zu waschen“, erzählt die 76-Jährige lachend.
Von den neuen Kinderwagen hält Bayer übrigens nicht viel. „Die sind mir zu schmal, zu eng, zu trist.“ Neue Wagen möchte Bayer nicht mehr sammeln. Bis auf einen: Den Faltbuggy von Peg aus Cord – in Dunkelblau. Dann wäre ihre Sammlung komplett.
Kommentare