Handyabnahme als Spießrutenlauf: Staatsanwaltschaft zeigt Probleme auf

Mit Jahresbeginn ist die kriminalpolizeiliche Arbeit in Österreich ein deutliches Stück komplizierter geworden. Durch die Reform der Datensicherstellung wurden der Handy- und Computerauswertung von Tatverdächtigen deutliche Riegel vorgeschoben – mit dem Ziel, die Datenmengen zu minimieren und für das Verfahren von vornherein irrelevante Dinge auszuschließen und damit auch ein gewisses Maß an Privatsphäre zu wahren.
In der Praxis hat der administrative Aufwand der Ermittlungsbehörden – sprich Polizei und Staatsanwaltschaft – deutlich zugenommen. Das war am Donnerstag im Rahmen eines Pressegesprächs bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zu erfahren.
Die Auswertung von gesicherten Datenträgern ist nicht mehr durch eine einfache Anordnung an die Kriminalpolizei möglich. Neu ist seit dem 1. Jänner 2025, dass Staatsanwaltschaften in ihren Anordnungen künftig genau definieren müssen, welche Daten sie brauchen – und ein Richter dies auch genehmigen muss.
Zeitlicher Mehraufwand
Die betroffenen Datenkategorien, Inhalte, Zeiträume und Zwecke sind genau zu definieren, was sich in der täglichen Arbeit durch einen "ungeheuren administrativen und zeitlichen Mehraufwand“ niederschlägt, erklären die Leiterin der Staatsanwaltschaft Barbara Haider und der Erste Staatsanwalt, Erich Habitzl.
Terror, Nazis, Kinderpornografie
Dass für ein Verfahren irrelevante Daten ausgeschlossen werden sollen, sei einerseits zu begrüßen, sei doch ein Handy mittlerweile so etwas wie ein "Zweitleben“, meint Haider.
"Zufallsfunde“ auf den Telefonen von Tatverdächtigen seien durch die Neuregelung allerdings so gut wie ausgeschlossen.
Negative Auswirkungen befürchtet man deshalb besonders im Bereich jugendlicher Straftäter, bei denen im Zuge von Erhebungen wegen anderer Delikte auf ihren Handys oftmals auch islamistische, nationalsozialistische oder kinderpornografische Inhalte entdeckt worden sind.

Erich Habitzl, Barbara Haider und Silke Pernsteiner von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt
Messenger-Überwachung
"Der Aufwand der Gerichte, der Staatsanwaltschaften und der Kriminalpolizei zur Sicherung von Beweisen wird daher deutlich ansteigen“, sagt Haider. Auch der politische Dauerbrenner der Messenger-Überwachung steht bei den Strafverfolgungsbehörden oben auf der Agenda.
Dass die Möglichkeit des Mitlesens von Chats beispielsweise bei Terrorverdächtigen immer noch nicht gesetzlich gegeben ist, sei wenig zufriedenstellend. Solange dies nicht erlaubt ist, werde der Staatsschutz immer auf ausländische Geheimdienste bei der Terrorabwehr angewiesen sein, hieß es dazu bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt.
Herabsetzung der Strafmündigkeit
Eine Herausforderung für die Zukunft wird für die Ermittlungsbehörden auch die angedachte Reform in Sachen Jugendkriminalität. Die geplante Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre werde zu einem "markanten Anstieg" der Strafverfahren führen, erklärt Habitzl. Bei der Wiener Neustädter Behörde gehe man in diesem Fall von einem Drittel mehr an Strafverfahren gegen Jugendliche aus.
Mehr als 90 Prozent der Anklagen und Strafanträge der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt führten zuletzt auch zu einer Verurteilung, die Freispruchquote liege bei unter zehn Prozent.
High-Risk-Fälle
Ein Rückgang sei laut Haider bei den sicherheitsbehördlichen Fallkonferenzen festzustellen – von 18 im Jahr 2022 auf nur mehr acht im Vorjahr. Dies liege aber nicht daran, dass es weniger häusliche Gewalt und Gefährder gäbe. Es sei viel mehr "ein Ausdruck des effizienteren Einsatzes“, so Haider. Wünschenswert wäre aus Sicht der Behörde ein standardisiertes, unter Beteiligung aller Stakeholder erarbeitetes Entscheidungstool zur leichteren Identifikation von sogenannten "High-Risk-Fällen“.
Bei den in die Zuständigkeit des Landesgerichts fallenden Straftaten hat es laut Staatsanwältin Silke Pernsteiner im vergangenen Jahr 4.056 Verfahren (2023: 4.100) gegeben. An den Bezirksgerichten sei mit 13.834 (2023: 14.148) ebenfalls ein leichter Rückgang zu verzeichnen gewesen. Von 13 auf 29 mehr als verdoppelt hätten sich Auslieferungs- und Übergabeverfahren.
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