Gesetzesänderung soll "Baumschnitte aus Angst" deutlich reduzieren

Grünen-Landessprecherin Helga Krismer und Justizministerin Alma Zadic am Donnerstag im Badener Kurpark
Im Schadensfall müssen ab sofort Kläger die Schuld einer Gemeinde beweisen. Nicht - wie bisher - umgekehrt.

Es waren die sogenannten "Angstschnitte" an vielen Bäumen auf öffentlichem Grund, die Grünen-Landessprecherin Helga Krismer aktiv werden ließen. Weil Städte und Gemeinden bisher in einem Schadensfall beweisen mussten, dass sie keine Schuld trifft, wurden Bäume oft präventiv stark zurückgeschnitten oder gar gefällt. Dies soll nun der Vergangenheit angehören, hofft Krismer.

Beweislast umgekehrt

Dafür sorgen soll eine Änderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), die ihre Parteikollegin, Justizministerin Alma Zadić, durchsetzen konnte. Seit 1. Mai wurde nämlich die Beweislast gesetzlich umgekehrt. Das heißt, künftig müssen etwaige Kläger beweisen, dass eine Gemeinde die Schuld an einem durch herabfallende Äste oder umstürzende Bäume entstandenen Schaden trifft.

"Das nimmt den Druck, vor allem von kleineren Gemeinden", ist Zadić überzeugt. "Bäume sind als natürliche Schattenspender angesichts der Klimakrise von entscheidender Bedeutung, wir werden mehr von ihnen benötigen und müssen sie so gut wie möglich schützen." Und Helga Krismer hofft, dass "die Gesetzesänderung auch dazu führt, dass in Niederösterreich nicht mehr ganze Alleen entlang von Landesstraßen zurück- oder umgeschnitten werden."

Keine Änderung im Forstgesetz

Ins Rollen gebracht worden war die Initiative durch eine Resolution des Gemeinderates der Stadt Baden im Juni 2020. Baden ist Eigentümer von mehr als 10.000 Bäumen und insofern stark von der Problematik betroffen.

Bisher nicht durchgesetzt werden konnte hingegen eine - ebenfalls von Krismer und Zadic gewünschte - Änderung des Forstgesetzes, um die Beweislast auch in Wäldern umzukehren. Denn das ABGB regelt nur Fälle von Bäumen auf Gemeindegebiet, nicht aber im Wald. "In den Biosphärenpark werden ganze Schneisen geschnitten, um Schadenersatzansprüche zu verhindern", ärgert sich Helga Krismer.

Die Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch:

  • Umkehr der Beweislast: Künftig müssen Kläger beweisen, dass Baumhalter ihren Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen sind. 
  • Präzisere Haftung: Baumhalter haften künftig nicht mehr für jedes denkbare Schadensereignis im Zusammenhang mit einem Baum. Es wird explizit festgehalten, dass nur für Schädigungen einzustehen ist, die aus dem Umfallen des Baumes oder dem Herabfallen von Ästen resultieren.
  • Überarbeitete Sorgfaltspflichten: Für abgelegene Bäume abseits von Gehwegen oder Ähnlichem gelten künftig gelockerte Sorgfaltspflichten. Bäume, die bei einem frequentierten Kindergarten stehen, müssen hingegen häufiger kontrolliert werden.
  • Ein Leitfaden für alle Bäume: Detaillierte Handlungsanleitung rund um die Sorgfaltspflichten wurden von der Plattform Zukunft mit Bäumen - Bäume mit Zukunft unter Federführung der Stadt Wien in enger Zusammenarbeit mit dem Justizministerium sowie Experten erarbeitet. Diese ermöglicht anschaulich auf einen Blick, welcher Sorgfaltsmaßstab für welchen Baum gilt.
  • Wunschzustand Naturbaum: Darüber hinaus wird im neuen Gesetzestext erstmals dezidiert ein besonderes Interesse an einem möglichst naturbelassenen Zustand des Baumes festgeschrieben, etwa wenn es sich um Bäume bei Naturdenkmälern oder in Nationalparks handelt.

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