Geisterwaggons nicht zu stoppen

Geisterwaggons nicht zu stoppen
KURIER sprach mit Opfern des schweren Bahnunfalls in Wieselburg / Viele Fragen noch offen.

Das Wrack des zerstörten Triebwagens, der auf dem Gelände des Wieselburger Bahnhofs abgestellt ist, erinnert an die dramatischen Szenen, die sich Mittwochmittag in der Braustadt im niederösterreichischen Bezirk Scheibbs abgespielt haben. Wie berichtet, waren fünf Güterwaggons in Randegg "entkommen", ins zwölf Kilometer entfernte Wieselburg gerollt und hatten dort einen stehenden Regionalzug gerammt. Zwölf der zwanzig Passagiere wurden teils schwer verletzt.

Einige Fragen dazu haben die ÖBB beantworten können (siehe Zusatzbericht), viele sind aber noch offen. Fix ist: Bahnmitarbeiter haben verzweifelt versucht, die fünf Güterwaggons zu stoppen, die sich auf der Erlauftal-Bahn selbstständig gemacht hatten.

Bremsversuche

Der KURIER hat aus gut informierten Kreisen erfahren, dass sie Bremskeile auf die Schienen gelegt haben. Die wurden aber weggeschleudert, ohne zu wirken. Auch der Versuch, die auch unbeladen tonnenschweren Geisterwaggons auf ein freies Gleis zu lenken, scheiterten, weil die Waggons die Weichen einfach zerstörten und geradeaus weiterfuhren. "Wenn man die Waggons nicht auf eine stehende Garnitur oder einen 40-Tonnen-Panzer prallen lassen kann, gibt es keinen Weg, sie aufzuhalten", meinte ein Insider. Dass die Bahnmitarbeiter die "entkommenen" Waggons meldeten, änderte nichts daran.

"Die Hauptfragen sind: Wie können die Waggons so weit laufen, und wieso ist der Lokführer nicht gewarnt worden", gibt der Bürgermeister von Wieselburg, Günther Leichtfried wieder, was er von Bürgern hört.

Der Triebwagenführer soll jedenfalls, so hört man, nach der Warnung zu wenig Zeit gehabt haben, die Waggons zu räumen.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fehler gemacht haben", erzählt Berufskraftfahrer Johann Miedler aus Gaming, den der KURIER beim Lokalaugenschein antrifft, als er von seinem Lastwagen Holzstämme auf Waggons lädt. "Ich kenne die Partie, die hier arbeitet, seit Jahren. Die sind so genau, da muss etwas gebrochen sein", betont Johann Miedler.

Schock

Betroffene Passagiere hatten traumatische Momente: "Eigentlich bin ich mit dem Zug ins Spital nach St. Pölten gefahren, weil ich das für sicherer gehalten habe." Nachdem die Garnitur, in der Friedrich Ortner aus Lunz am See Mittwochvormittag auf der Heimfahrt saß, gerammt worden war, zweifelt der 75-Jährige nun eben daran. Ortner ist einer der vier Schwerverletzten, die das Unglück gefordert hat.

Mit einem Schlüsselbeinbruch und einer Kopfwunde wird er im Landesklinikum Amstetten gepflegt. Der Crash mit den Geisterwaggons wird Ortner wohl lebenslang in Erinnerung bleiben. "Ich dachte, dass es eine Explosion gegeben hat", schildert er.

Das Unglück passierte aus heiterem Himmel: "Es hat eine Durchsage gegeben, dass wir halten und warten müssen. Der Sprecher hat sich dafür entschuldigt", erinnert sich Ortner. In Fahrtrichtung sitzend habe er begonnen, Rätsel zu lösen. Dann gab es ohne Vorwarnung den gewaltigen Knall, "und ich bin durch den Waggon auf die andere Seite geflogen", erinnert er sich. In der Zuggarnitur herrschte Chaos. Eine Frau habe laut geklagt und geschrieben. "Eine junge Frau hat mir geholfen und mir das Blut aus den Augen gewischt", erinnert sich der Pensionist an die Minuten nach der Kollision. Dann habe es einige Zeit gedauert, bis Polizisten kamen und die Daten der Passagiere aufnahmen. Aus eigener Kraft hätte er den Waggon nicht verlassen können. Rettungsleute aus Persenbeug trugen ihn dann ins Freie, nachdem sie zuvor eine schwer verletzte Frau geborgen hatten.

Überlebt

"Wir sind mit dem Zug auf der Heimfahrt vom Augenarzt in Pöchlarn gewesen", erzählt Franz Ressl, Altbürgermeister von Purgstall. Nach einer Durchsage, dass der Zug aus technischen Gründen halten muss, habe es einen fürchterlichen Knall wie von einer Explosion gegeben", berichtet auch er. "Ich wurde auf die leere Bank gegenüber geschleudert, Leute haben durcheinandergeschrien. Meine Frau hat einer schwangeren Frau aus dem Zug geholfen. Es ist ein Glück, dass wir das überlebt haben", meint Ressl.

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