Wie das Fotohaus Schwarz die Fotografie "revolutionierte"

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100-jähriges Bestandsjubiläum: Die 70-jährige Firmenchefin Brigitte Schwarz ist Vermittlerin der Geschichte der Fotografie.

„Unser Studio besteht seit hundert Jahren und 40 davon führe ich schon die Geschäfte.“

Mit Stolz und einer Freude an der Arbeit, die ansteckend ist, erzählt die Besitzerin des Fotohauses Schwarz in Scheibbs aus dem Fotografie-Gewerbe und der Geschichte ihres Betriebs. Trotz dramatischer Umbrüche in der Branche ist sie dabei heiter und zufrieden. Brigitte Schwarz wird demnächst 71 Jahre, ans Aufhören denkt sie nicht und die Geschäfte laufen nicht schlecht.

Wer sich mit Frau Schwarz in ihrem Fotohaus verabredet, wird von rührigem Tagesgeschäft und historischem Pioniergeist gefangen. Laufkundschaft läutet an der Tür und das Telefon schrillt regelmäßig. „Pass- und Führerscheinbilder sind sehr gefragt. Wir haben sie für Generationen von Familien hinein bis ins Ötschergebiet und bis ins Texingtal angefertigt. Jetzt kommen die Jungen zu mir“, erzählt die Meisterfotografin.

Persönliche Note

Wegen der Erhöhung der Passgebühren sei es im Frühjahr rundgegangen. „Das war ein gutes Geschäft“, sagt sie. Jüngst sei ein 97-jähriger Gaminger zum Fotografieren da gewesen, den auch ihr Vater schon abgelichtet hatte. „Trotz der Normen soll jedes Passbild auch eine sehr persönliche Note haben“, legt sich Schwarz die Latte hoch.

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Denkt mit bald 71 Jahren nicht ans Aufhören: Brigitte Schwarz.

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Fotohaus Schwarz: Gerettetes Bild einer Cousine von einem Glasplattennegativ.

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Fotohaus Schwarz 

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Fotohaus Schwarz 

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Meisterfotografin sucht auch bei Passfotos persönliche Note.

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Fotohaus Schwarz 

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Fotohaus Schwarz 

Gerne taucht die Meisterfotografin in die Familiengeschichte ein. Im Sommer 1925 hat ihr Großvater Gustav Schwarz das Fotohaus gegründet. Der Wiener hatte das meisterliche Handwerk in der Grafischen Lehr- und Versuchsanstalt erlernt und später mit seiner Frau in Scheibbs das heute 300 Jahre alte Totengräberhäuschen außerhalb des Scheibbser Stadtzentrums gekauft und hier sein Geschäft eröffnet.

Königlicher Fotograf

Davor führte Gustav, ausgestattet mit einer hölzernen Kamera, ein abenteuerliches Fotografenleben. Kunstsinn und Fleiß führen ihn sogar bis an den Hof des rumänischen Königs. Sesshaft geworden, nutzte er sein Können und baute im Bezirk Scheibbs sein Geschäft auf. Für Speck und Eier fotografierte er Bauernfamilien auf ihren Höfen, Hochzeiten, öffentliche Ereignisse und vieles andere. Sonntags herrschte Hochbetrieb im Hause Schwarz, da waren die Bauern im Sonntagsgewand in der Messe und ließen sich danach fotografieren.

„Damals wurde mit Glasnegativen gearbeitet. Mein Vater erzählte, dass davon Hunderte am Dachboden gelagert waren. Die wurden aber alle von russischen Besatzungssoldaten zerschlagen“. Vater Heinz, der das Geschäft 1958 übernahm, fand nach dem Krieg das Glasnegativ mit dem Porträt einer Cousine. Das retuschierte und handkolorierte Bild hat im Studio von Brigitte, die das Fotohaus seit 1984 führt, einen Ehrenplatz.

Die früher so viel genutzte Dunkelkammer ist längst eine Abstellkammer. „Die heutigen Möglichkeiten mit der digitalen Fotografie waren früher undenkbar. Bearbeitung und Beschriftung sind im Nu erledigt“, nutzt Brigitte, die sich neben allen anderen Foto-Jobs auf Industriefotografie spezialisiert hatte, natürlich die moderne Technik. Lediglich bei Handy-Fotos ist sie skeptisch: „Damit fotografiere ich nur meine Hündin Ria“, erzählt sie lachend.

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Innungsmeister und Stadtvertreter als Gratulanten.

Gründer fotografierte einst in Sarajevo

Ausgehend vom umtriebigen Gründer  des Scheibbser Fotohauses Schwarz ließe sich aus der  Familiengeschichte wohl auch ein  sozialhistorischer Roman entwickeln. Dessen bewusst, stellten sich zum 100-Jahr-Jubiläum auch Fotografen-Landesinnungsmeister Christian Schörg sowie der Scheibbser Bürgermeister David Pöcksteiner und sein Stellvertreter Joseph Hofmarcher ein.

Bevor sich Gustav Schwarz 1925 in Scheibbs als Fotograf ansiedelte, war er nach der Ausbildung zum Meisterfotografen auf der „Grafischen“ in Wien viel unterwegs.   Seine Enkelin Brigitte Schwarz erzählt, dass dieser einst Hoffotograf beim rumänischen König war. In der K.u.K-Armee fotografierte Gustav sogar just zum Zeitpunkt des Attentats auf Erzherzog Franz Ferdinant 1914 in  Sarajevo. Bilder von ihm über das dortige Geschehen hat sie aber nie gesehen.

Mit dem Opa  verband Brigitte, dass auch sie vor der Lehre ein Jahr auf der „Grafischen“  studierte. Doch Vater Heinz brauchte sie daheim.  Er hatte mit Ortsbildern aus ganz NÖ ein florierendes Ansichtskartengeschäft  aufgezogen. Zigtausende Karten wurden händisch entwickelt. Zur Blütezeit waren fünf  Personen im Fotohaus beschäftigt. Vor ihrer Meisterprüfung 1979 war Brigitte mit der Kamera auf Achse. Im Winter etwa in Schladming: Am Tag auf der Piste, abends bei Misswahlen in den Diskotheken. 

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