Am Technopol Tulln wurde in einer Kooperation der Universität für Bodenkultur (Boku) mit der Bibliothek in Weimar ein neuartiges Verfahren zur Restaurierung von historischem Papier entwickelt. Die geheime Zutat dabei ist simple Cellulose.
Winzige Wunderfasern
Allerdings in besonderer Form, verrät Projektverantwortliche Antje Potthast. Die Chemikerin vom Institut für Chemie nachwachsender Rohstoffe der Boku erklärt: „Wir sind umgeben von Cellulose, in Papier oder als Baumwolle in Textilien. Jährlich produziert die Natur geschätzt eine Billion Tonnen davon.“ Klar, dass der Rohstoff – der etwa das Tausendfache seines Gewichtes an Wasser halten kann – auch die Wissenschaft fasziniert.
Bei der Restaurierung der Weimarer „Aschebücher“ wurde Cellulose zum Wundermittel. Und zwar in ganz kleiner Form, als Nanocellulose. Dafür werden die Fasern immer weiter aufgespalten, bis sie winzig, unsichtbar sind. Und das ist das Geheimnis.
Denn was auf die verbrannten Notenblätter in Deutschland aufgebracht wird, ist eben Nanocellulose. Der Brand war zwar natürlich eine Katastrophe, bot den Forschern aber die Gelegenheit, ein einzigartiges Verfahren zu entwickeln und auch in der Praxis anzuwenden.
„Ziel ist es, die Blätter zu stabilisieren und auch im verkohlten Rand verborgene Informationen mittels Multispektraldigitalisierung wieder zugänglich zu machen“, erklärt Potthast. Durch das Sprühverfahren muss keines der leicht zerbröselnden „Ascheblätter“ oft in die Hand genommen werden und weil Cellulose auf Cellulose aufgebracht wird, klebt das Mittel ganz ohne Klebstoff.
Feine Risse werden geschlossen, die zuvor fragilen Blätter können wieder angegriffen werden. Und: „Die Nanocellulose ist mit freiem Auge nicht sichtbar und beeinflusst auch eine spätere Digitalisierung nicht“ betont Potthast.
Eine große Herausforderung war die schiere Menge: „Es handelt sich um rund 800 Handschriften mit insgesamt mehr als 50.000 Blättern“, so Potthast. Deshalb wurde ein regelrechtes Fließbandsystem in Tulln entwickelt und in Deutschland eingerichtet. Seit 2022 wird das Sprühverfahren zur Konservierung der Musikalien angewandt. Als „bestmögliche Verbindung von Kultur und praxisorientierter Forschung“, würdigte auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner das Projekt.
Zukunftshoffnung
Das Verfahren erfüllt auch Ansprüche in Hinsicht auf Langzeitstabilität. Der Nachteil ist, dass es aufwendig und teuer ist. „Wir müssen überlegen, es weiterzuentwickeln und in Zukunft auch für andere zugänglich zu machen“, meint Potthast. Vergleichbare Ereignisse und Schäden seien gar nicht so selten.
Außerdem sind historische Papiere nicht nur von Feuer bedroht. Auch Schimmel oder Tintenfraß (wenn die alte Tinte langsam das Papier zersetzt) sind Themen. „Ich glaube, dass unsere Forschung auch bei diesen Schäden Potenzial hat. Der Nanocellulose ist es egal, wo sie sich drauflegt. Damit ergeben sich ganz neue Anwendungsperspektiven bei der Behandlung von Objekten, die bisher als unbehandelbar galten“, meint Potthast.
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