Feindliche Truppen nehmen St. Pölten ein: Krieg am Simulator

Die Panzerhaubitze M109 dient vor der Militärakademie als Gefechtsstand.
Über 200 Führungskräfte des Heeres wehren Einmarsch am Führungssimulator ab. Übung "Joint Action“ an der Militärakademie.

Panzer und schwere Geschütze stehen vor den Toren St. Pöltens. Feindliche Truppen haben die Neutralität Österreichs mit Füßen getreten und sind in das Tullnerfeld in Niederösterreich eingefallen.

Es liegt am österreichischen Bundesheer, den überraschenden Angriffskrieg abzuwehren und dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung nicht Tod und Verderben ausgesetzt ist.

Alarmstufe Rot

Eine alte Artillerie-Panzerhaubitze M109 vor den Toren der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt lässt erahnen, dass hinter den dicken Mauern der Burg Alarmstufe Rot herrscht. Es ist Krieg – zum Glück nur am Reißbrett, besser gesagt am Führungssimulator.

Das Schreckensszenario ist Teil von "Joint Action“ – der größten Simulationsübung des Bundesheeres im heurigen Jahr. Unter der Schirmherrschaft der Landesverteidigungsakademie und der Theresianischen Militärakademie müssen über 210 Teilnehmer im "Kampf der verbundenen Waffen“ (verschiedenste Waffengattungen) die Republik gegen einen Aggressor von außen verteidigen.

Reine Fiktion? Von wegen. Man muss nicht weit über Österreichs Grenzen blicken, um den nächsten Krisenherd auszuspähen. In den vergangenen Jahren hat sich die Sicherheitslage in Europa dramatisch verschärft, wie der Krieg in der Ukraine vor Augen führt.

Die Feindbewegung wird am Computer verfolgt

Die Feindbewegung wird am Computer verfolgt

Mit dem Konzept "ÖBH 2032+“ verfolgt das Bundesheer das oberste Ziel, Österreich gegen militärische Angriffe verteidigen zu können. Das muss geübt sein. "Joint Action“ sei "eine kostengünstige Möglichkeit, die in den vergangenen beiden Jahren ausgebildeten Führungskräfte auf den Ernstfall vorzubereiten und zu sehen, ob sie ihr Handwerk beherrschen“, erklärt der Übungsleiter, Brigadier Berthold Sandtner.

Strategische Schachzüge ausprobieren

Würde man die Übung nicht nur am Simulator, sondern im freien Gelände abhalten, wären 8.500 bis 10.000 Soldaten am Gefechtsfeld involviert. Die Simulation bietet den angehenden Führungsoffizieren die Möglichkeit, strategische Schachzüge auszuprobieren, ohne dass dafür die Eurofighter in den Himmel steigen müssen und sich damit Millionen Euro wie ein Kondensstreifen am Himmel in Luft auflösen.

Das Prozedere biete noch einen entscheidenden Vorteil: "Wenn man die Truppen in eine Sackgasse manövriert, hat man rasch die Möglichkeit, zurückzugehen und einen neuen Ansatz zu versuchen“, erklärt Sandtner. Als Bataillonsgefechtsstände dienen Kojen am Dachboden der Militärakademie.

Übungsleiter Brigadier Berthold Sandtner

Übungsleiter Brigadier Berthold Sandtner

Neue Waffensysteme und Cyberangriffe

Auf riesigen Bildschirmen dirigieren die Befehlshaber die eigenen Truppen zu den feindlichen Linien, jede Feindbewegung kann in Echtzeit am Simulator verfolgt werden. Um – wie in der Realität – auch auf Cyberangriffen und "Electronic Warfare“ vorbereitet zu sein, findet die Übung nicht nur am Computer, sondern parallel auch analog, beispielsweise mit Landkarten, Kugelschreiber und Notizblock statt.

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Gefechtsstand im Mannschaftstransporter

225 neue Radpanzer

Was bei "Joint Action“ bereits zum Tragen kommt, ist die Modernisierungsstrategie des Bundesheeres. Im Rahmen des Aufbauplans "ÖBH 2032+“ wird massiv in moderne Infrastruktur und Ausrüstung investiert. Neben neuen Transportflugzeuge vom Typ Embraer C-390 Millennium – anstelle der alten Hercules – werden auch die Kampf- und Schützenpanzerflotte Leopard und Ulan modernisiert. Im Rahmen eines 1,8 Milliarden Euro schweren Pakets kauft das Heer 225 neue Radpanzer "Pandur Evolution“.

"Diese neuen Waffensysteme, die wir in Zukunft haben werden, können bei der Übung ebenfalls zum Einsatz kommen“, erklärt Oberst Lukas Bachmann.

Das Verhalten und die taktischen Schachzüge des Feindes überlässt man nicht dem Simulator. Soldaten der Schweizer Militärakademie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich zeichnen für das Feindlagebild verantwortlich.

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