Erwin Wagenhofer: „Ich habe keine Zeit für Pessimismus“
Erwin Wagenhofer sucht in seinem neuen Film das Schöne und Gute und zeigt Menschen mit dem gemeinsamen Ziel einer zukunftsfähigen Welt.
KURIER: In „But Beautiful“ haben Sie sich auf die Suche nach dem Guten und Schönen gemacht. Ein Kontrast zu Ihren Filmen „We feed the world“, „Let’s make money“ und „Alphabet“. Haben Sie sich mit der Idee für den neuen Film schon länger beschäftigt?
Erwin Wagenhofer: Ja, die Idee dazu ist schon in den 1990ern entstanden, genauso wie der Name. Die letzte Aufnahme im Film, wo Lucia Polido singt nach dem Abspann, das ist die älteste Aufnahme aus dem Jahr 2012.
Ist jetzt der perfekte Zeitpunkt für den Film?
Ich denke schon. Im Sommer 2015 habe ich gerade das Projektentwicklungspapier verfasst, als die Flüchtlingssache losging. Wir wollten eigentlich 2017 fertig sein, aber ich habe gespürt, dass noch etwas fehlt. Das war damals natürlich unangenehm. Aber es stellt sich heraus, dass der Film – der etwas Lebendiges, Organisches ist – erst jetzt kommen wollte. Und jetzt ist der richtige Zeitpunkt da. Das wissen Sie genauso gut wie ich, weil es seit einem Jahr die Bewegung der Jugend gibt. Und ich bin nur mehr dazu da, sie zu unterstützen, und das tut der Film.
Sie sagen, Sie sind Optimist, wie äußerst sich das?
Na, ein Optimist ist einer, der lustig lebt, gut drauf ist und an das Gute glaubt. Früher habe ich mich als „Possibilitist“ bezeichnet, habe also eher an Möglichkeiten geglaubt. Und jetzt muss ich sagen, ich bin Optimist, weil ich für Pessimismus keine Zeit habe.
Das bedeutet, für ein anderes Leben ist es zu spät?
Das ist nicht so sehr auf mich persönlich bezogen. Das bedeutet: Wir müssen jetzt mutig die Herausforderungen betrachten, die vor uns stehen. Die müssen mit viel Mut angegangen werden. Glauben Sie mir, der Film hat viel Mut von mir verlangt.
Warum Mut?
Filmemacherinnen und Filmemacher sind Dramatiker. Im Wort Drama und Dramatik liegt schon etwas Dramatisches, alles kreist im Film um ein Problem. „But beautiful“ versucht, um Lösungen zu kreisen. Und das wird mir auch von der eigenen Zunft übel genommen. Nur wenige trauen sich, wenige Kollegen würden das machen – ich habe es eben gemacht. Ich habe mich in der Lage gefühlt, das zu tun – vor zehn Jahren war ich noch nicht so weit.
Haben Sie in ihrer Jugend auch schon aufbegehrt?
Ja, genauso wie jetzt. Meine Mutter erzählt da immer eine Geschichte: Wir hatten lange keinen Fernseher, aber unsere Nachbarin und da habe ich als Knirps mit drei bis vier Jahren im Vorabend immer Flipper, Lassie, Daktari und so weiter gesehen. Da waren die Tiere immer die Helden und alle waren so aufgebaut, dass sie relativ paradiesisch leben und in der Dramaturgie dann immer ein Problem auftaucht, das dann der Hund oder der Fisch löst. Sobald das Problem auftaucht, bin ich aufgestanden und gegangen.
Und für die Zukunft: Wollen Sie sich mit Problemen oder Lösungen beschäftigen?
Es ist interessant, dass das so schwarz-weiß-mäßig gesehen wird. Ich bin ja der Meinung, dass das der kritischste Film von allen ist, und zwar aus dem Grund, weil es fast beschämend ist, wie einfach die Lösungen sind. Und ja, ich habe schon Ideen, aber ich rede äußerst ungern über etwas, das noch nicht da ist.
Mit 18 Jahren haben Sie Ihren ersten Kurzfilm gedreht, aber irgendwann dachten Sie auch, Sie werden Musiker?
Immer! Diese Ausbildungen, die HTL in Waidhofen an der Ybbs und die zum Nachrichtentechniker, musste ich machen, weil mein Vater meinte, das sei die Zukunft. Aber wenn ich es mir aussuchen hätte können, dann wäre ich nur Rennrad gefahren und hätte Saxofon gespielt, sonst hätte ich gar nichts gemacht. Das hat Mario Rom (Anm.: Protagonist in „But Beautiful“) gemacht, deshalb ist er ein genialer Trompeter geworden.
„But beautiful“: Nichts existiert unabhängig
Einfach macht es sich Erwin Wagenhofer in seinem neuen Film „But beautiful“ nicht. Er sucht darin nach dem Schönen und Guten. Er zeigt Menschen, die neue Wege beschreiten. Der gebürtige Amstettner geht der Frage nach, wie ein gutes, gelungenes Leben aussehen kann.
Entstanden ist ein Film über Perspektiven ohne Angst, über Verbundenheit mit Musik, Natur und Gesellschaft, über Menschen, die unterschiedlich sind, aber ein gemeinsames Ziel haben: eine zukunftsfähige Welt. Erwin Wagenhofer verwebt Bilder und Klänge in dem 116-minütigen Film.
Die Protagonisten, die er zeigt, sind der Dalai Lama und seine Schwester, ein Ehepaar, das in La Palma eine autarke Permakultur betreibt, oder auch Sanjit „Bunker“ Roy, der in Indien ein College betreibt und Frauen aus der ganzen Welt lehrt, wie sie Solaranlagen bauen. Im Film werden diese „Solar-Mamas“ gezeigt. Ein anderer „Fiomheld“ ist der Förster und Unternehmer Erwin Thoma, der gesunde Holzhäuser baut. Weiters kommen in dem Film ein Jazztrio rund um Mario Rom, der Pianist Kenny Werner und die kolumbianische Sängerin Lucia Pulido vor.
„But beautiful“ ist ab heute, 15. November, in den heimischen Kinos zu sehen. Parallel zum Film entstand das gleichnamige Buch von Erwin Wagenhofer und Sabine Kriechbaum. Es ist im Verlag Anje Kunstmann erschienen.
Der freischaffende Autor und Filmemacher Erwin Wagenhofer wurde 1961 in Amstetten geboren. Er besuchte die Höhere Technische Lehranstalt in Waidhofen a. d. Ybbs. Danach machte er eine Ausbildung zum Nachrichtentechniker in Wien, wo er seit seinem 19. Lebensjahr lebt. Auf seinen ersten Langdokumentarfilm fürs Kino, „We Feed the World“ (2005), folgten „Let’s Make Money“ (2008), der Spielfilm „Black Brown White“ (2011) und „Alphabet“ (2013).
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