„Jeder spürt, so kann es nicht weitergehen“

Filmemacher Erwin Wagenhofer honorarfrei
Filmemacher Erwin Wagenhofer über eine Wertehaltung, die dem Leben dienen soll

In seinen Filmen „We feed the world“ und „Let’s Make Money“ hat sich Erwin Wagenhofer, 51, kritisch mit Nahrungsmittel-Industrialisierung und Vermögensverteilung beschäftigt. Sein neuer Film „Alphabet“ kommt im Herbst in die Kinos.

KURIER: Haben wir aus den vergangenen Skandalen nichts gelernt?

Erwin Wagenhofer: Wir wollen offensichtlich nichts lernen. Jeder spürt, dass es so nicht weitergehen kann. Wir müssen aber endlich das Alte loslassen, um die Hände freizubekommen für Neues.

Wo liegt die Lösung?

Wenn wir überhaupt eine Lösung wollen, dann müssen wir anders denken, anders wirtschaften, anders leben. Miteinander und nicht gegeneinander – organisch eben. Stellen Sie sich vor, in unserem Körper führt die Lunge Konkurrenz mit der Leber, wer der Bessere ist und wer mehr Leistung bringt! So ein Körper wird nicht mehr lange leben. In der Wirtschaft haben wir aber genau diese Haltung und das führt zu diesen alltäglichen Absurditäten.

Welche Wertehaltung steht da dahinter?

Eben keine! Viele wissen ja gar nicht mehr, was ein Wert ist und können die Begriffe Wert und Gewinn gar nicht unterscheiden. In einer profitorientierten Konsumgesellschaft rücken die Werte immer mehr in den Hintergrund. Pferdefleisch, Amazon, Eurokrise, alles von Menschen herbeigeführte Zustände unter dem Deckmantel des Gewinnstrebens. Dabei verlieren wir aber nur die ganze Zeit.

Welche Wertehaltung brauchen wir, um es besser zu machen?

Eine, die den Menschen und dem Leben dient. Nicht jenen Institutionen, die uns die ganze Zeit weismachen wollen, es gibt keine Alternativen. Natürlich gibt es die. Stichwort „geistige Ernährung“ – das wird ja total vernachlässigt in unserer Gesellschaft.

Die geistige Nahrung hat sich immer mehr der physischen angenähert. Fast Food, Fertigprodukte, Nahrung und nicht Lebensmittel etc. Kein Wunder, dass es da zu Mangel und Entzugserscheinungen, zu geistiger Fehlhaltung und Unterernährung kommt. Da wir keine Maschinen sind, brauchen wir ein organisches Denken und nicht ein mechanisches, ein vitales und nicht ein für das Gewinnstreben nützliches.

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