Der tiefe Fall des SC Wiener Neustadt
Im vergangenen Sommer hatte man ein Bein bereits in der Bundesliga. Aber anstatt gegen Vereine wie Red Bull Salzburg in einem funkelnagelneuen Stadion für knapp 12 Millionen Euro zu brillieren, befindet sich der SC Wiener Neustadt im freien Fall. Ob der am Freitag gezogene Rettungsschirm zu einer sanften Landung des Clubs in der Regionalliga-Ost verhilft, oder es zur Bruchlandung kommt, wird sich erst in einigen Wochen zeigen. Als neuer Präsident soll der aus Ägypten stammende Investor Hani Habib und an dessen Seite der frühere Pressesprecher des SC und der Stadt Wiener Neustadt, Rainer Spenger, den Verein in „ruhigere Gewässer führen“.
Binnen weniger Monate hat der scheidende Vorstand es geschafft, die Blau-Weißen nahe an den Ruin zu führen und zur Lachnummer von Fußball-Österreich zu machen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Weil der Vorstand im Lizenzverfahren der Bundesliga über die schlechte finanzielle Situation des Vereins hinwegtäuschen wollte und dazu bewusst Falschangaben gemacht hat, kam es nicht nur zum Lizenzentzug.
Diese Woche wurden dazu harte Strafen gegen alle Verantwortlichen ausgesprochen. Präsidentin Katja Putzenlechner wurde vom Strafsenat der Bundesliga mit einer Funktionssperre von zwölf Monaten belegt, Manager Ralph Spritzendorfer mit neun Monaten, die Vorstände Thomas Puchegger und Katrin Scherz-Kogelbauer mit je sechs Monaten.
Staatsanwalt
Damit noch nicht genug, könnte sich jetzt auch noch die Staatsanwaltschaft in die Causa prima einschalten. Es gilt zu klären, ob die Täuschungen nämlich auch von strafrechtlicher Relevanz sind. Dem Vernehmen nach will die Bundesliga da aber nicht weiter umrühren.
Es gibt zwar keine Anzeige oder Sachverhaltsdarstellung der Bundesliga, dennoch kann der Staatsanwalt auch auf eigene Faust aktiv werden und Ermittlungen in Auftrag geben. Dann, wenn es einen „begründeten Anfangsverdacht“ gibt, beispielsweise wegen Betruges, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, Erich Habitzl. Die spannenden Fragen zur desaströsen Finanzgebarung könnte sicher Vorstand Katrin Scherz-Kogelbauer beantworten, die sich als „Steuer-, Unternehmensberaterin und Sanierungsrechtsexpertin“ einer renommierten Kanzlei auch um die Finanzen des SC gekümmert hat. Alle Anfragen des KURIER an sie blieben bis Freitagabend jedoch unbeantwortet. Auch jene, ob die für den Lizenzantrag abgegebenen Unterlagen die Unterschrift der Steuerberaterin trugen.
Um dem Verein unter die Arme zu greifen und auch um die drohende Insolvenz abzuwenden, hat die Stadt Wiener Neustadt für den Schuldenberg eine Ausfallsbürgschaft über 250.000 Euro beschlossen. Putzenlechner, Puchegger, Scherz-Kogelbauer und Spritzendorfer haften sogar persönlich gegenüber der Stadt.
Wie prekär die finanzielle Lage ist, werden Habib und Spenger erst nach ihrer Wahl bei der Mitgliederversammlung am 18. Juli sehen. Bis dahin gilt es, in Windeseile noch vor dem Ende der Transferzeit am 15. Juli eine schlagkräftige Truppe für die Regionalliga aufzustellen. Das Geld dafür soll in erster Linie von Habib als Hauptsponsor kommen. Der studierte Veterinärmediziner lebt von der Immobilienentwicklung.
„Künftig soll ganz viel Wiener Neustadt im Verein stecken. Die blau-weiße DNA soll erkennbar werden, ebenfalls eine durchgängige und nachhaltige Philosophie“, sagt Spenger. Das neue Stadion biete ungeahnte Möglichkeiten, diesen Rückenwind gelte es zu nutzen. Der neue Trainer soll bereits am Wochenende präsentiert werden, ein Paket an Spielern dann kommende Woche.
Pacult bekam das Chaos zu spüren
Angefangen hat der tiefe Fall des SC Wiener Neustadt mit dem verpatzten Bundesliga-Aufstieg in der vergangenen Saison. Weil Präsidentin Katja Putzenlechner die schmerzhafte Niederlage gegen St. Pölten nicht hinnehmen wollte, und sie diese mit einem Einspruch am grünen Tisch (erfolglos) bekämpfte, zog sie sich den Unmut der politisch Verantwortlichen im Land NÖ zu. Von „unnötiger Unsportlichkeit“ gegenüber dem Rivalen im eigenen Bundesland war die Rede.
Weil er sein Trainergehalt nicht mehr überwiesen bekam, ließ dann Ex-Trainer Gerhard Fellner nach seinem Rauswurf im Mai die Bombe platzen. Er bezichtigte den Vorstand des SC Wiener Neustadt, im Lizenzvergabeverfahren getäuscht und bewusst falsche Angaben gemacht zu haben. Wiener Neustadt hätte so den finanziell dringend notwendigen Lizenzbonus von 200.000 Euro unrechtmäßig erhalten. Die Bundesliga prüfte den Fall und erkannte tatsächlich Verstöße gegen sportlich-personelle, finanzielle und rechtliche Kriterien. Der 200.000-Euro-Bonus wurde dem Verein aberkannt und der SC zur Strafe zum Abstieg in die Regionalliga-Ost verdonnert.
Neben den Sperren für den Vorstand wurden außerdem Ex-Chefcoach Gerhard Fellner und Josef Kirnbauer aus dem Trainerstab mit Geldstrafen in der Höhe von 3.000 bzw. 2.000 Euro belegt. Der ehemalige SC-Spieler Hamdi Salihi muss 2.000 Euro Strafe bezahlen.
Bis auf zwei liefen dem Verein alle Spieler davon. In dem Chaos versuchte man tatsächlich, mit der Zusage eines Sponsors Trainer Peter Pacult für einen Neuanfang zu gewinnen – allerdings noch ohne neue Spieler. Pacult soll nicht abgeneigt gewesen sein, wurde aber nach einem Treffen ohne einer Entscheidung des alten Vorstands im Regen stehen gelassen.
Laut dem designierten Vorstand Rainer Spenger ist Pacult in der Trainerfrage nun kein Thema mehr. Man habe bereits einen aussichtsreichen Kandidaten, „der sich aber noch mit seinem jetzigen Club einigen muss“, hieß es am Freitag von Spenger gegenüber dem KURIER.
Angesichts der Turbulenzen ist die geplante Eröffnung des neuen Fußballstadions in Wiener Neustadt am 20. Juli abgesagt worden. Einen neuen Termin wird es im Herbst geben, dann hoffentlich mit einer Regionalliga-Elf. Die Stadt reagierte vorerst erleichtert auf den SC-Rettungsversuch.
Stadt ist erleichtert
Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) und Sportstadtrat Philipp Gerstenmayer (FPÖ): „Wir bedanken uns bei Dr. Rainer Spenger für seinen Einsatz und sein Engagement, sowie bei allen, die dazu beigetragen haben, dass diese neue Vereinsspitze etabliert werden konnte...“
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