"Das Wir-Gefühl ist in Mödling leider verloren gegangen"
21 Jahre lang war Hans Stefan Hintner (ÖVP) Bürgermeister in Mödling. Jetzt hat ihn City-Manager und Parteikollege Michael Danzinger abgelöst. Wie sich die Anforderungen und Herausforderungen in den vergangenen Jahren verändert haben, erzählen die beiden im Gespräch mit dem KURIER.
KURIER: Herr Altbürgermeister, was waren die großen Herausforderungen in Mödling, als sie das Amt im Jahr 2003 übernommen haben?
Hans Stefan Hintner: Vor allem die Finanzen. Wir mussten das Budget sanieren, haben dazu unter anderem die "Mödling Wohnen GmbH" gegründet, in die unsere Immobilien ausgelagert wurden. Wir haben uns dazu aber nicht - wie andere Städte - einen Partner gesucht. Das hat uns finanziellen Spielraum gebracht.
Finanzen saniert, 2024 also keine Probleme mehr?
Michael Danzinger: Leider nicht. Wir haben natürlich die stark gestiegenen Energiekosten in den vergangenen Jahren massiv zu spüren bekommen. Man darf nicht vergessen, dass wir städtische Einrichtungen in über 100 Jahre alten Gebäuden haben, die natürlich entsprechend viel Energie benötigen. Dazu kommen die hohen Gehaltssteigerungen: in den letzten Jahren gab es 22 Prozent mehr im öffentlichen Dienst. Die Ertragsanteile des Bundes sind aber zurückgegangen. Das heißt, dass wir ohne Eigenverschulden rund 2,5 Millionen Euro verloren haben. Außerdem hat Mödling in Niedrigzins-Zeiten viele Kredite mit variabler Verzinsung aufgenommen, das hat sich durch die deutlichen Zinsanhebungen ebenfalls stark ausgewirkt.
Mödling muss also sparen?
Danzinger: Wir werden strukturelle Änderungen vornehmen müssen.
Also sparen.
Danzinger: Man muss unterscheiden, welche Aufgaben ich als Stadt erfüllen muss und welche ich mir als Luxus leisten kann. Wir sind primär für die Daseinsvorsorge zuständig, also zum Beispiel für Kindergärten, Schulen, Straßen, Kanal und Müllabfuhr - in Mödling werden die Mülltonnen übrigens wöchentlich geleert, das ist nicht in vielen Städten Österreichs so. Jede Veranstaltung und jeden Verein zu subventionieren, gehört aber nicht zu unseren Kernaufgaben. Das wird nicht mehr möglich sein. Wir sind nicht dazu da, die Menschen mit Steuergeld zu bespaßen.
Hintner: Man darf nicht vergessen, dass vor 20 oder 30 Jahren Städte wie Mödling budgetär bevorzugt wurden. Es war daher damals völlig normal, dass jeder Verein Subventionen bekommen hat. Daraus ist ein Anspruchsdenken entstanden, das durch die sich ändernden Zeiten und die Art der Erziehung gefördert wurde: man pocht auf seine Rechte, will aber nicht so sehr an seine Pflichten erinnert werden.
Haben sich die Mödlinger in den Jahren so stark verändert?
Danzinger: Wir wissen, dass rund die Hälfte der Bevölkerung in zehn Jahren nur durch An- und Absiedelung ausgetauscht wird. Mödling gehört zu den teuersten Städten im Land, wir haben eine gut verdienende, überdurchschnittlich hoch gebildete Bevölkerung. Das bringt auch ein übersteigertes Rechtsempfinden und eine hohe Erwartungshaltung mit sich.
Der Bürgermeister muss sich also viel Kritik anhören?
Danzinger: Eher viele Erwartungen, nicht so sehr Kritik. Das Problem, das ich sehe, ist, dass das Wir-Gefühl in Mödling verloren gegangen ist. Daran müssen wir arbeiten.
Wie?
Danzinger: Indem ich auf die Leute zugehe und sie offensiv anspreche, sich mehr einzubringen. Man lebt gerne in der Stadt, hat ein schönes Haus und besucht vielleicht noch das Theater, aber in Vereinen oder bei der Feuerwehr engagieren sich viele nicht mehr, weil sie in Wien arbeiten und eigentlich nur zum Schlafen nach Mödling kommen.
Hintner: Das patriotische Gefühl "Ich bin ein Mödlinger" ist schon sehr stark ausgeprägt. Man sieht es als eine Art Statussymbol. Aber die Menschen informieren sich nicht darüber, welche Angebote es in der Stadt gibt. Information ist aber auch eine Holschuld, nicht nur eine Bringschuld.
Ein Beispiel?
Danzinger: Wir sind zum dritten Mal in Folge die Stadt mit den wenigsten Leerständen in ganz Österreich. Es gibt genau drei leere Geschäfte in der Innenstadt, aber die Kritik lautet: Warum tut die Stadt nichts dagegen? Wir können einem Hauseigentümer doch nicht vorschreiben, was er mit seinem Geschäftslokal tun soll.
Man muss sich ein Geschäft - oder ein Haus - in Mödling allerdings auch leisten können.
Hintner: Warum ist Mödling so teuer? Weil es einfach klass´ ist, hier zu leben. Weil man im Grünen wohnen, aber trotzdem in kürzester Zeit in Wien sein kann. Das rechtfertigt meiner Meinung nach aber trotzdem keine überbordenden Preisvorstellungen - wie aktuell bis zu 9.000 Euro pro Quadratmeter. Das wird der Markt aber regulieren, davon bin ich überzeugt.
Die Kritik, es fehle an "leistbaren Wohnungen" vor allem für junge Menschen, ist in der gesamten Region im Süden Wiens immer wieder zu hören. In Mödling sicher ganz besonders.
Danzinger: Dazu muss man "leistbar" definieren. Das bedeutet ein einer einkommensstarken Stadt wie Mödling sicher etwas anderes als in ländlichen Regionen. Aber natürlich gibt es auch bei uns nicht nur Millionäre. Das Angebot für alle Bevölkerungsschichten ist aber gegeben. Wir haben zum Beispiel die Mödlinger Wohnbaugenossenschaft, die Hunderte günstigere Wohnungen anbieten kann.
Hintner: Das Problem ist: Wer schon in Mödling wohnt, der will im Normalfall nicht, dass noch etwas Neues gebaut wird. Das haben wir immer wieder gesehen, weil Bauprojekte sofort kritisiert wurden. Faktum ist: Die Flächenbilanz der Stadt ist seit Jahrzehnten ausgeglichen, neu gebaut wurde immer nur auf Grundstücken, auf denen zuvor etwas abgerissen worden war, oder auf solchen, die schon seit Langem eine entsprechende Widmung hatten, die aber eben noch nicht genutzt worden war. Neue Bauplätze gibt es in Mödling keine mehr. Wir sind fertig! (lacht)
Danzinger: Es gibt das aktuelle Beispiel eines alten, kleinen Fuhrwerkerhäuschens, das abgerissen wird. Dort werden 15 bis 20 Wohnungen entstehen. Die entsprechende Widmung ist aber nicht neu, die gibt es wahrscheinlich schon seit über 100 Jahren, jetzt nutzt man sie eben. Trotzdem wird es, fürchte ich, wieder heißen: Alles wird zubetoniert.
Wie lang ist die Warteliste für eine Wohnung in Mödling?
Danzinger: Eine Warteliste gibt es schon, darauf finden sich aber weniger junge Menschen oder Jungfamilien, die eine erste, billige Wohnung suchen. Sondern einerseits Frauen mit Kindern, die nach einer Scheidung eine neue Bleibe brauchen und andererseits geht es da um sehr spezielle Wünsche im eher hochpreisigen Bereich. Terrassen, Gartenanteile oder Ähnliches.
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