Schenkung
Glitzernd und frisch restauriert lag der Schatz – bestehend aus einer Goldschale, mehreren Goldspiralen und einem mit Goldfäden durchsetzten Textilteil – nun am Freitag in einer Vitrine im Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien. Anlass: die goldenen Artefakte gingen offiziell per Schenkungsvertrag durch die ÖBB an das NHM über. Was ÖBB-Infrastruktur-Vorständin Judith Engel in eine ungewohnte Rolle brachte, denn „Gold ist eigentlich nicht unser Kerngeschäft“, scherzte sie. Man sei aber auch stolz, den Schatz gefunden zu haben und dass er nun im NHM einen würdigen Platz gefunden hat.
NHM-Direktorin Katrin Vohland dankte und betonte, es sei „unsere Verantwortung und unsere Mission, diese Objekte zu bewahren und zu beforschen. Es ist faszinierend, sich vorzustellen, dass es schon vor so langer Zeit Menschen gelang, Zeit und Ressourcen für Dinge aufzuwenden, die nicht unmittelbar dem Lebensunterhalt dienten. Weltweit und über Jahrtausende verbindet uns, dass wir Dinge und unsere Umgebung schöner machen wollen.“ Für Bundesdenkmal-Präsident Christoph Bazil sei außerdem wichtig, die Funde durch das NMH einem großen Publikum zu präsentieren, um unser „kulturelles Erbe“ zu wahren.
Der Schatz ist aber nur der glitzernde Gipfel eines archäologischen Eisberges. Als sich vor vier Jahren bei den Bauarbeiten abzeichnete, dass sich wertvolle Artefakte unter der Erde befinden könnten, gaben die ÖBB eine Untersuchung durch die Novetus GmbH in Auftrag. Archäologen untersuchten daraufhin 70.000 Quadratmeter Fläche in Ebreichsdorf und konnten so eine spätbronzezeitliche Siedlung, die rund 3.000 Jahre alt sein soll, freilegen.
Und die hatte es durchaus in sich. Auf mehrere Hundert Bewohner schätzt Bernhard Hebert, Leiter der Abteilung für Archäologie im Bundesdenkmalamt die Größe. Die Häuser waren aus Holz, auch ein größeres Gebäude, das eine Art Versammlungshalle gewesen sein könnte, wurde entdeckt. Und auch viele Objekte aus der Bronzezeit wie Keramik, Werkzeug, Schmuck. Insgesamt fast 300 große Kisten sind ins NHM übersiedelt.
Opfergabe?
Das Außergewöhnliche ist aber natürlich das Gold. „Vor allem die Schale ist ungewöhnlich, in Österreich gibt es nichts Vergleichbares“, so Hebert. Dabei dürfte der Schatz bewusst versteckt worden sein. Vielleicht, um ihn vor heranrückenden Feinden in Sicherheit zu bringen, aber wohl wahrscheinlicher wurde er als Opfergabe am Rande der Siedlung verborgen.
Zumindest ein Rätsel konnte bereits gelüftet werden: Das Gold stammt aus dem heutigen Tschechien, 400 Kilometer entfernt. Die Schale dürfte auch nicht an ihrem Fundort hergestellt worden sein. Derartige Goldschalen wurden bisher in Skandinavien und Norddeutschland entdeckt. Was darauf hinweisen könnte, dass schon Tausende Jahre vor dem Bahn-Ausbau sich hier ein Verkehrsknotenpunkt befand.
Der Schatz wird laut Karina Grömer, Direktorin der Prähistorischen Abteilung im NHM, nun das zentrale Ausstellungsstück im Goldkabinett des NHM bilden.
www.nhm-wien.ac.at
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