Coronavirus: Der tägliche Kampf um Leben und Tod

Coronavirus: Der tägliche Kampf um Leben und Tod
Primar Christoph Hörmann und sein Team versorgen an der Uniklinik St. Pölten rund um die Uhr Intensivpatienten

Sie sind kaum jemandem verborgen geblieben. Die verstörenden Aufnahmen von Intensivstationen in norditalienischen Krankenhäusern. Ein täglicher Blick auf die Schlagzeilen erweckt den Eindruck, dass es Abteilungen todgeweihter Individuen sind, ohne jeglicher Chance auf Genesung. Deutlich anders stellt sich die Situation derzeit auf Österreichs Intensivstationen dar. Primar Christoph Hörmann und sein Team arbeiten an der Uniklinik St. Pölten rund um die Uhr, um den Corona-Patienten die bestmögliche Chance zu bieten, das Spital lebendig zu verlassen.

KURIER: Herr Primar, wie viele ihrer Patienten verlassen für gewöhnlich lebend ihre Station und wie viele werden es sein, die an Corona erkrankt sind?

Christoph Hörmann: Wir haben etwa 2.500 Patienten pro Jahr, die im Schnitt viereinhalb Tage auf der Intensivstation sind. Die Mortalität liegt bei etwa fünf Prozent, also 95 Prozent verlassen die Abteilung wieder lebend. Bei Covid-19-Patienten rechnen wir von einer Aufenthaltsdauer von zwei bis drei Wochen. Was die Mortalitätsrate anbelangt, ist es noch zu früh für Zahlen.

Gibt es schon Corona-Patienten, die die Intensivstation wieder verlassen konnten?

Ja, wir haben eine gewisse Zahl, die nicht einmal intubiert und beatmet werden musste. Ein Patient konnte erfolgreich von der ECMO entwöhnt werden, nachdem sich seine Lungensituation deutlich verbessert hat. Zur Zeit wird er schrittweise vom Beatmungsgerät entwöhnt. Wir hoffen, dass seine Genesung weiter voranschreitet und er die Intensivstation bald verlassen kann. ECMO steht für extrakorporale Membranoxygenierung. Vereinfacht gesagt saugt man dem Patienten das Blut ab, reichert es mit Sauerstoff an und leitet es in den Körper zurück. Damit entlastet man die Lunge und gibt dem Organ Zeit, sich zu erholen.

Coronavirus: Der tägliche Kampf um Leben und Tod

Primar Christoph Hörmann

Ist das die klassische Therapie von Covid-19 Patienten?

In fast allen Fällen ist bei Corona-Patienten die Lunge massiv betroffen. Es können aber auch andere Organe wie Herz oder Nieren in Mitleidenschaft gezogen werden. Medizinisch geht es darum, die Funktionen, die der Körper nicht mehr selbst bewältigen kann, zu überbrücken bis der Organismus selbst mit dem Virus fertig wird. Was die Patienten erleiden, nennen wir Multiorganversagen. Auch das Herz-Kreislauf-System ist meistens massiv betroffen.

Bilder aus Italien zeigen Intensivpatienten die am Bauch liegen. Weshalb?

Man hat festgestellt, dass das Coronavirus die Kapillargefäße in der Lunge angreift und sie undicht werden. Es kommt zu Flüssigkeitsansammlungen im Lungengewebe. Durch den Lagewechsel in Bauch- oder Seitenlage wird diese Flüssigkeit umverteilt und die betroffenen Lungenbläschen entlastet.

Wie alt sind die massiv betroffenen Patienten und gibt es auch welche, die keine Vorerkrankungen aufweisen?

Wir haben vereinzelt auch solche, ohne ernsthafte Vorerkrankung. In Tirol gibt es auch Fälle sehr junger Patienten, bei uns bisher nicht. Zum überwiegenden Teil sind es aber sicher Patienten, bei denen es Vorerkrankungen wie zum Beispiel von Herz, Lunge und Niere gibt. Oder es handelt sich um Krebspatienten. Die Covid-19-Infektion bringt dann das fragile Gleichgewicht sehr rasch in Schieflage.

Kritiker behaupten, dass die Zahl der Corona-Toten gar nicht stimmt und es bei vielen eine andere Todesursache gibt. Ist das so?

Ja. Es gibt sicher Patienten die positiv auf Covid-19 getestet wurden, aber letzten Endes an einer anderen Krankheit gestorben sind. Krebs im Endstadium, Herz-Kreislauf-Erkrankungen usw.

Man hört bereits von Durchbrüchen bei der medikamentösen Behandlung des Virus. Ist Covid-19 bald besiegt?

Das Medikament, mit dem man das Virus besiegen kann, gibt es derzeit nicht. Es gibt immer wieder solche Meldungen, aber beim genaueren Hinschauen sind es nur einzelne Fälle, die keinen Rückschluss auf eine generelle Wirksamkeit der Medikamente für alle Patienten zulassen. Was fehlt, sind Studien die eine solche Wirksamkeit beweisen können.

Dann ist das einzige, was man tun kann, die Organe zu entlasten?

Nein. Wir machen eine optimierte, symptomorientierte Intensivtherapie, um zu vermeiden, dass in Folge der Erkrankung einzelner Organsysteme der Körper weiteren Schaden nimmt. Im Prinzip geht es darum, die Organfunktion zu überbrücken. Ist zum Beispiel die Lunge betroffen, dann geht es darum, dem Körper ausreichend Sauerstoff zuzuführen. Als intensivmedizinische Standardtherapie zur Überbrückung des Lungenversagens werden in diesen Fällen Sauerstoffgabe, Beatmungstherapie und Lagerungsmaßnahmen durchgeführt.

Es gibt nicht nur Covid-19 Patienten. Wie gewährleisten Sie die Sicherheit der anderen auf der Intensivstation?

Wir haben derzeit zwei separierte Stationen zur Isolierung von Corona-Fällen. Allerdings müssen wir bei der Einlieferung von Akutpatienten zunächst jeden wie einen Corona-positiven Fall behandeln. Die Testung erfolgt möglichst rasch. Je nach Beginn der nächsten Testreihe liegt ein Ergebnis im günstigsten Fall nach vier bis fünf Stunden vor.

Wieso ist die Zahl der Todesopfer in Italien derart hoch?

Neben der hinlänglich medial diskutierten Theorie zu den illegalen chinesischen Gastarbeitern liegen die Gründe vor allem in der Kapazität des norditalienischen Gesundheitssystems. Die Überalterung der Bevölkerung sowie die vielen Großfamilien, bei denen auf engem Raum mehrere Generationen zusammen wohnen, sind sicher auch ein Grund.

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