Biss-Fest

Gourmet-Treff: Im Wiener Grand Hotel wurde der beste Nachwuchskoch des Landes gesucht - Beobachtungen eines unschuldigen Jury-Mitglieds

Noch nie in meinem Leben war ich Teil einer Jury. Abgesehen von jener Nacht auf Teneriffa, als ich als pubertierender Partylöwe im bierseligen Verbund mit anderen kritischen Geistern die vollbusige Annetta aus Malmö zum verdienten Triumph bei der Wahl zur "Miss Wet-T-Shirt" grölte.

Meine echte Premiere als Waagenzünglein verdanke ich Gault Millau und Uncle Ben's, was erahnen lässt, dass Annetta diesmal nicht mit von der Partie ist. Gesucht wird der beste Nachwuchskoch des Landes.

Hauben-Rendezvous

60 Juroren begeben sich auf die Suche, unter ihnen die besten Köche Österreichs. Immerhin 42 Hauben werden im Wiener Grand Hotel an diesem Abend unter eine Haube gebracht. Löste sich also der Raum des Gourmet-Geschehens in Luft auf, stünde die Republik flugs ohne elitäre Küche da. Zur Verdeutlichung: Alle fünf Vierhauber - Johanna Maier, Karl und Rudi Obauer, Walter Eselböck, Heinz Reitbauer, Christian Petz - geben den Youngsters die Ehre, wenn auch nicht als Juroren.

Aber auch unter den zwölf professionellen Stimmberechtigten, die uns Amateur-Genießern Rückhalt gewähren, finden sich Stars wie Gradwohl oder Wagner-Bacher, wie Hanner oder Plachutta, quasi eine seit Jahrzehnten richtungsweisende Herd-Herde.

Und mittendrin ich, kein Koch, nur ein Mitesser aus Leidenschaft. Hinter mir die Jungköche und ihre Helfer, fein sortiert in Wettbewerbs-Kojen, vor mir ein Bewertungsbogen, mit den Kriterien Geschmack & Präsentation. Hinter mir junge Männer, die seit Stunden Drei-Gänge-Menüs vorbereiten, vor mir ein Stück Papier, das meiner Punkteeinschätzung harrt. Hinter mir höchste Kunst, vor mir ein A-4-Beweis dafür, dass das Mitbestimmen fremder Schicksale ein grausames Vergnügen ist.

Das Motto im Allgemeinen ist die Nachwuchs-Förderung, jenes im Speziellen lautet Austrasia, Österreich trifft Asien. Das äußert sich so, dass ich darüber befinden darf, ob die "österreichische Lachsforelle auf gelber Linsen-Tapioka mit knusprigen Garnelentascherln und Misoespuma" so schmeckt, wie sie klingt, geheimnisvoll.

Vor mir stehen drei Vorspeisen. Ich staune bereits vor dem ersten Bissen. Wer lässt sich das einfallen? Wie kann ich meine Ehrfurcht vor dieser Kreativität in Worte packen? Und wieso schauen meine Schinkenfleckerln immer so banal aus? Ich koste, schmecke und beobachte - meine Jury-Kollegen beim Kosten und Schmecken.

Symbiose

Interessant ist ja, dass die essende Gesellschaft stets bemüht ist, das Niveau ihrer sprachlichen Bewertung dem Niveau der kredenzten Speisen anzupassen. Denn wie klänge es, entführe dem Kritiker ein "Bist deppert, die geschmorte Rinderwange in Feigen-Szechuanjus mit Basmatireis-Zungenstrudel und Navettenpüree ist geil." Nein, wir von der Jury wissen natürlich, dass "Rosa Rhabarber eine formidable Symbiose mit dem Austernkraut" bildet, oder dass "Honig-Erdnusseis und Melissencoulis eine in höchstem Maß gelungene Dessert-Interpretation" ist. Und wer's nicht weiß, tut so, als wüsste er es, das ist in der Oper oder im Stadion kaum anders.

Ich stehe auf, spaziere als Häferlgucker die Kojen entlang, betrachte die konzentrierten Handgriffe der Jungköche, deren fokussierte Blicke auf die vielen Details auf den vielen Tellern. Unvorstellbar, dass das funktioniert. Präzision in Höchsttempo. Alles warm, alles auf den Punkt, und alles auch noch hübsch. Eher könnte ich mir vorstellen, Einsteins Relativitätstheorie zu widerlegen, als in einem dieser drei Teams etwa die Leinsamen-Kompetenz für den marinierten Saibling zu übernehmen.

Es folgen drei Hauptgänge, drei Nachspeisen und zahlreiche Zungenschnalzer. Sowie die Juror-Qual, in dieser Güteklasse Nuancen erschmecken und womöglich auch artikulieren zu müssen.

Am Ende bin ich angenehm satt, und Ditmar Maier ist der Sieger. Dafür bekommt er das goldene Reiskorn als Trophäe. D'accord, ich könnte vor Begeisterung wieder einmal grölen.

Ditmar Maier - Aus der "Hölle" zum Triumph

Drei Kandidaten aus gutem Haus hatten sich für das große Finale zum "Newcomer des Jahres" qualifiziert. Platz drei ging an Mathias Bolze, der bei Andreas Mayer im Schloss Prielau (Zell/See) kocht. Zweiter wurde Gilbert Korn-Fourcade, der im Steirereck-Team arbeitet. Gewonnen hat ein junger Mann, der seine Lehrjahre schon einmal als "Hölle" bezeichnet hatte. Sein Name: Ditmar Maier. Seine Chefin und vor allem Mutter: Johanna Maier. "Die Mama hat eben extrem hohe Ansprüche. Sie hat mich immer wieder ins kalte Wasser gestoßen, und ich musste schwimmen." Der heute 25-jährige Sous Chef lernte aber nicht nur im heimatlichen Filzmoos, sondern sammelte auch in Frankreich, Deutschland, Italien, Holland und in der Karibik Erfahrungen. Den Newcomer-Titel (mit 500 € dotiert) erkochte sich Maier mit folgendem Menü ( siehe Bilder ): Vorspeise - Variation vom Bachsaibling aus der warmen Mandling zum Frühlingsbeginn; Hauptgang - Entenbrust rosa gegart mit Boskop und Won Ton; Dessert - Dialog zwischen Heimat und Asien.

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