Bad Vöslau: Neuer Stadtteil statt Industrieruinen
Der Projektname "Vöslauer Perlenkette" klingt idyllisch, bedeutet für die Stadt aber eine massive Veränderung. Denn auf knapp 65.000 Quadratmeter mitten im Zentrum wird ein neuer Stadtteil entstehen, mit Wohnraum für rund 1.200 Menschen, was fast einem Zehntel des derzeitigen Bevölkerungsstandes entspricht.
Das auf mehr als drei Jahrzehnte ausgelegte Vorhaben wurde nun öffentlich präsentiert – und heftig diskutiert.
Bürgermeister Christian Flammer (Liste Flammer) spricht von einem "Jahrhundertprojekt". Dass sich diese Möglichkeit nun ergibt, hat ihre Gründe in der Vergangenheit. Denn die Flächen betreffen einerseits die ehemalige Kammgarnfabrik, die lange das Stadtleben mit Tausenden Arbeitsplätzen bestimmte, doch 1978 zusperren musste.
Für Teile wurden neue Nutzungen gefunden, etliche der alten Fabriksgebäude verfallen, sind aber seit Jahren ungenutzt.
„Slow Motion Band“
Und andererseits handelt es sich um die alte Abfüllanlage der Vöslauer Mineralwasser, die seit deren Absiedelung in einen Neubau an den Stadtrand weitgehend leer steht. Insgesamt ein Areal von 64.902 Quadratmetern, das sich als „Stadtquartier Nord“ vom Badplatz bis zum Bahnhof quer durch die ganze Stadt zieht.
Derartige Entwicklungschancen habe nicht viele Städte, auch wenn das Areal zu einem großen Teil im Besitz der Ottakringer AG (als Mutter der Vöslauer Mineral) steht. Das Entwicklungskonzept, an dem seit einigen Jahren gearbeitet wird, wurde nun in einer Ausstellung präsentiert.
Viele Wege, keine Straßen
Stadtchef Flammer betont, dass keine neuen Flächen verbaut, sondern sogar 30.000 Quadratmeter entsiegelt werden. Der bestehende Baumbestand werde nicht nur erhalten, sondern durch 250 neue Bäume ergänzt. Das Stadtquartier Nord soll autoreduziert konzipiert sein und viele Wege, aber keine Straßen aufweisen – Zufahrten zu Stellplätze sind natürlich ausgenommen. Ein "Slow Motion Band" für Fußgänger und Radfahrer soll vom Zentrum zum Bahnhof führen.
Vier "Quartiere", also Bauteile, sind geplant, das letzte soll bis 2060 umgesetzt werden. Los geht es voraussichtlich aber schon kommendes Jahr in der Falkstraße, wo anstelle alter Fabrikshallen bis zu 200 Mietwohnungen, ein Kindergarten, der "Kammgarnplatz" und eventuell auch Geschäfte entstehen sollen.
Verkehr als Knackpunkt
In all das mischen sich auch kritische Stimmen. Knackpunkt ist der Verkehr: Der Bahnhof – mit sehr guten Anbindungen – ist zwar innerhalb weniger Minuten zu Fuß erreichbar, dass deswegen weitgehend aufs Auto verzichtet wird, kann man aber nur erhoffen, nicht erwarten. Insgesamt rund 720 Pkw-Stellplätze sind geplant, in zwei Hoch- und zwei Tiefgaragen.
Die Grünen befürchten, dass die umliegenden Straßen vom zusätzlichen Verkehr stark belastet werden und fordern dafür ein eigenes Verkehrskonzept. "Es wird viel entsiegelt, aber für das, was gebaut wird, ist das zu wenig", sagt Grün-Stadträtin Eva Mückstein. "Ich glaube nicht, dass es da nur lauter Radfahrer geben wird", meint auch Stadtrat Karl Lielacher (ÖVP) und fürchtet zudem hohe Investitionen in die dann nötige Infrastruktur von Kanal bis Schulen. SPÖ-Stadtparteichef Stefan Rabits fordert wiederum mehr Wohnraum in Gemeindebesitz und mehr Parkplätze. "So wie es jetzt geplant ist, wird es nicht funktionieren."
Allgemein positiv gesehen wird, dass das historische Cafe Thermal am Badplatz (siehe Bild oben; Anm.) im Zuge eines Grundtausches mit der Ottakringer AG in Gemeindebesitz kommen wird. Bürgermeister Flammer kündigte an, dass hier Gastronomie und Ärzte Platz finden sollen.
Notwendig für den gesamten Prozess ist eine Änderung des örtlichen Raumordnungsverfahrens, das ab Juni aufgelegt wird. Für September ist die Beschlussfassung im Gemeinderat geplant.
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