„Auf einen Kassenplatz wartet man derzeit sechs bis zehn Monate“, erklärt AMS-NÖ-Geschäftsführer Sven Hergovich, „jeder Monat bedeutet individuelles Leid und ist ein Verlust für die Volkswirtschaft.“ Darum wird das AMS NÖ in einem österreichweit erstmaligen Pilotprojekt Psychotherapieplätze finanzieren.
Jedem Jobsuchenden mit diagnostizierter psychischer Erkrankung, der sich in einem von fünf Arbeitstrainingszentren in NÖ auf den beruflichen Wiedereinstieg vorbereitet, wird eine psychotherapeutische Begleitung angeboten – und zwar so lange, bis die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) einen Platz hat, also die Finanzierung übernimmt. Hergovich erhofft sich davon einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit.
Karin Gutierrez-Lobos, Professorin für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Wien, begrüßt die Initiative. „Arbeitslose weisen ein bis zu 3,5-fach höheres Risiko für psychische Erkrankungen auf als Erwerbstätige, das steigt mit der Dauer der Arbeitslosigkeit noch weiter an“, erklärt sie. Nicht oder unzureichend behandelte psychische Erkrankungen können ein wesentliches Hindernis beim Wiedereinstieg sein, so die Expertin. „Wenn wir wissen, dass die Plätze hier kontingentiert sind, ist klar, dass ein Projekt her muss, wo man schneller und unbürokratisch hilft.“ Laut Gutierrez-Lobos sind mittlerweile psychische Erkrankungen die Hauptgründe für eine Frühpension.
Das AMS-Pilotprojekt ist auf ein Jahr ausgerichtet, kostet 150.000 Euro und wird um weitere 25.000 Euro im Frühjahr 2023 evaluiert. „Die Intervention kostet am Beginn viel, aber eine Nicht-Intervention kostet noch mehr“, betont AMS-NÖ-Chef Hergovich. Zeigt die Evaluierung, dass sich die Therapie nicht positiv auf die Rückkehr in den Arbeitsmarkt auswirkt, würde man „maximal auf den Status quo zurückgeworfen“.
Für den AMS-Kunden Herrn S., seit November im Arbeitstrainingszentrum in Schiltern, ist die Psychotherapie in jedem Fall essenziell. „Sie gibt mir Hoffnung. Ich will einfach wieder ein normaler Mensch sein und meine Zwangsstörungen wegbekommen“, erzählt der 33-Jährige.
Kommentare