Zehn Jahre danach: Die Lehren aus der Tragödie von Annaberg
2013 erschoss Wilderer Alois Huber drei Polizisten und einen Sanitäter. Was man getan hat, damit so etwas nicht nochmals passiert, erzählt Cobra-Chef Bernhard Treibenreif.
Manfred Daurer, Johann Ecker, Roman Baumgartner und Johann Dorfwirth. Vier Männer, die am 17. September 2013 aus dem Leben gerissen wurden. Erschossen aus dem Hinterhalt von Alois Huber, dem Wilderer, dessen „eruptive Gewalt“ bis dahin niemand erahnen konnte, sagt der Direktor der Antiterroreinheit Cobra, Bernhard Treibenreif.
Die Tragödie von Annaberg jährt sich diesen Sonntag zum zehnten Mal und die Erinnerungen an eines der dunkelsten Ereignisse in der Geschichte der Blaulichtorganisationen wirkt bis heute massiv nach. Was die Polizeiarbeit in Österreich anbelangt, gibt es eine Zeitrechnung vor und nach Annaberg.
Obwohl die Kommission nach einer umfangreichen Evaluierung des Einsatzes zu dem Ergebnis kam, dass „lageangepasst und zielorientiert“ vorgegangen worden ist, würde man mit den heutigen Erkenntnissen und vor allem den heutigen technischen Möglichkeiten dennoch einiges anders machen, bestätigt Treibenreif. Beispielsweise würde man für Straßensperren, die genau für solche Sonderlagen geschaffene Schnelle Interventionsgruppe (SIG) heranziehen.
Annaberg und die Terroranschläge von Paris im November 2015 hatten eine der größten Beschaffungsinitiativen der Polizei in der 2. Republik zur Folge. „Wir hatten für so eine Lage damals keine ausreichend gepanzerten Fahrzeuge“, erklärt der Cobra-Chef. Der leicht gepanzerte BMW X5 der Spezialeinheit hielt dem Beschuss der großkalibrigen Jagdmunition des Attentäters nicht stand.
Der Evaluierungsbericht ortete außerdem dringenden Nachholbedarf bei Kommunikation und Ortungstechnik. Laut Treibenreif sind die Empfehlungen „eins-zu-eins“ umgesetzt worden.
Alois Huber hatte an einem Checkpoint in Lassinghof die beiden Polizisten Johann Ecker und Manfred Daurer erschossen und war mit dem Streifenwagen „Scheibbs 1“ zu seinem Hof nach Großpriel (Bezirk Melk) geflüchtet. In der ländlichen Gegend ließ sich allerdings das Funkgerät im Einsatzfahrzeug nicht orten.
Abhilfe brachte das neue Einsatzleit- und Kommunikationssystem (ELKOS). Seit dessen Einführung ist durch GPS-Ortung für die Landesleitzentrale jederzeit nachvollziehbar, wo Polizeistreifen ihren aktuellen Standort haben. Auch bei der Ausrüstung wurde mit Überziehschutzwesten, Helmen und Sturmgewehren deutlich nachgebessert.
Mannstoppende Munition
Die Einsatzmunition wurde auf „mannstoppende“ Projektile umgestellt. Mit ein Grund war, dass Alois Huber einen Streifschuss erlitten hatte, der ihn aber nicht ausschaltete.
Rund 30 Millionen Euro war der Regierung die Beschaffung von Nachtsichtgeräten, Drohnen und Survivor-Panzerfahrzeugen wert. „Die Erkenntnisse von Annaberg sind sehr stark in die Ausbildung eingeflossen“, sagt Treibenreif. Bei Einsatztrainings liegt der Fokus seither noch mehr auf Eigensicherung und auf Einsatztaktik.
17. 09. 2023, 0.00 Uhr
Eine Straßensperre der Polizei wird von einem Pick-up durchbrochen. Ein Beamter schießt in die Stoßstange des Toyota Hilux Pick-up
0.20 Uhr
Der Täter feuert auf den Wagen der Verfolger. Der Cobra-Beamte Roman Baumgartner wird tödlich getroffen
0.45 Uhr
Alois Huber erschießt im Rettungsauto den Sanitäter Johann Dorfwirth und verletzt einen Polizisten schwer
2.45 Uhr
In Lassinghof trifft der Täter auf eine Streife. Er tötet Manfred Daurer und Johann Ecker durch mehrere Schüsse
7 Uhr
Alois Huber feuert aus seinem Haus in Großpriel auf ein Cobra-Fahrzeug
18 Uhr
Ein Heerespanzer durchbricht die Hausmauer des Hofes
18. 9. 2013, 0.30 Uhr
Der Mörder wird tot in einem Bunker im Keller gefunden
Dass Fälle wie Annaberg jederzeit wieder passieren können, zeigen laut Treibenreif zahlreiche Beispiele. In Rheinland-Pfalz wurden 2022 eine Polizistin und ihr Kollege mit Kopfschüssen hingerichtet, als sie versuchten zwei amtsbekannte Wilderer zu stoppen.
„Auch wir sind heuer bei Einsätzen schon zweimal stark beschossen worden“, sagt Treibenreif. Im Jänner feuerte in Wien-Penzing ein 60-jähriger Schütze 30-mal auf das Schutzschild der Cobra-Beamten. „Diese Amoklagen werden mehr, nicht weniger“, sagt der Cobra-Chef.
108 Straftaten und 10 Millionen Euro Schaden
Dem Transportunternehmer Alois Huber wurden im Zeitraum von 1994 bis September 2013 mindestens 108 Straftaten mit einer Gesamtschadenssumme von zehn Millionen Euro nachgewiesen. Er brach in 59 Häuser und Jagdschlösser ein und steckte anschließend elf Anwesen in Brand. Auf das Konto des Vierfachmörders gehen außerdem vier Motorraddiebstähle und 14 Wilderer-Delikte. In seinem Bunker im Keller des Hauses fanden die Ermittler neben seiner Leiche mehr als 300 gestohlene Waffen.
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