Die Kritik richtete sich auch an die Stadtpolitik, nämlich dass Gemeindeschulden nicht durch die Erlöse von Grundverkäufe abgedeckt werden sollten.
Die brodelnde Stimmung kippte aber nicht. Geschätzte 100 Interessierte waren erschienen, rund zwei Drittel davon waren Gegner des Projekts. Und entgegen vorherigen Ankündigungen verließen die Aktivisten nicht, wie zuerst geplant, aus Protest den Saal.
Bürgermeisterin: "Information durch Fakten"
„Das Thema wird sehr kontroversiell gesehen. Damit wir entsprechende Fakten auf den Tisch gelegt bekommen, gibt es diese Information“, machte Bürgermeisterin Kerstin Suchan-Mayr (SPÖ) einleitend auch klar, dass es sich um eine Veranstaltung der ansiedelungswilligen Firmen handle.
Sowohl die Bürgermeisterin als auch später die Firmenvertreter betonten mehrfach, dass das ins Auge gefasste Betriebsgebiet im Ausmaß von 56.000 Quadratmeter ordnungsgemäß seit 2006 als Betriebsgebiet gewidmet sei, aber für das konkrete Projekt noch keine Pläne und Einreichunterlagen vorliegen. Suchan-Mayr wiederholte ihre Ankündigung, das Projekt genau unter die Lupe nehmen zu wollen.
Im Gemeinderat gab es bislang einen mehrheitlichen Grundsatzbeschluss für die Prüfung des Amazon-Projekts.
Grün, grüner, Amazon?
Dafür konnten die Fraktal-Chefs Anthony Pink und Wolfgang Zauner und die Amazon-Repräsentanten aber schon relativ genaue Vorstellungen über das Verteilzentrum, das im Grunde jenem in Klagenfurt ähnlich sein werde, skizzieren.
Vor allem eine neue nachhaltige Gebäudetechnologie mit PV-Anlagen, verbrennungsfreier Beheizung, begrünten Dächern, möglichst großem Holzanteil und versickerungsfähigen Parkplätzen der Autos der mindestens geplanten 100 Mitarbeiter und die Paketlieferautos könnten für die zertifizierte Klimagemeinde St. Valentin zum Renommee werden, versuchte Amazon-Vertreter Thorsten Frees das Vorhaben der Stadtgemeinde schmackhaft zu machen.
Städtebaulicher Vertrag
Über einen städtebaulichen Vertrag mit der Gemeinde würde man die angekündigten Forderungen der Stadt nach der Prüfung der Unterlagen auch schriftlich fixieren, so ein weiteres Versprechen. Pönalzahlungen als Garantie, die die Stadt bei Zuwiderhandeln gegen vereinbarte Limits hinsichtlich Licht-, Lärm- oder Verkehrsbelastung fordern könnte, sollen die Vereinbarungen absichern.
Auch ein Verkehrskonzept mit dem Ausbau einer für das Betriebsgebiet wichtigen Kreuzung mit der St. Valentiner Hauptstraße in unmittelbarer Nähe zur A1-Anschlussstelle wurde in Aussicht gestellt. Daran wolle man sich finanziell beteiligen, hieß es.
Spezielle technische Schutzbauten, wie ein Grünwall und Vorkehrungen zum Schutz der unmittelbaren Anrainer im Ort Neu-Thurnsdorf vor Lärm- oder Lichtbelästigung, wurden ebenfalls angekündigt. Im Verteilzentrum herrscht 24-Stundenbetrieb in drei Schichten. Bis 2030 sollen die eingesetzten Fahrzeuge zu 50 Prozent, bis 2040 zu 100 Prozent elektrisch betrieben werden.
Betrieb
Zum möglichen Betrieb des Auslieferungslagers gab es zudem weitere interessante Einblicke: Rund 20 Groß-Lkw, zur Weihnachtszeit etwa 28, würden in der Nacht die Pakete für „die letzte Meile“, so der Fachausdruck, anliefern. Sechs Tage in der Woche fahren dann rund 250 Sprinter-Van, zu Hochzeiten vielleicht um 100 mehr, ab 10 Uhr vormittags zu den Kunden.
Nach den Präsentationen oblag es Bürgermeisterin Suchan-Mayr, Fragen an die Firmen-Vertreter zu richten. Was die Sozialdemokratin auch intensiv tat. Sie sprach auch das oftmals international ins Rampenlicht gerückte Thema der Arbeitsbedingungen bei Amazon an. „Bezahlung nach Kollektivvertrag und darüber hinaus und auch die Gründung von Betriebsräten ist für uns kein Problem“, sicherte Amazon-Sprecher Steffen Adler unter anderem zu.
Die Skepsis der Projektgegner konnte an diesem ersten Abend jedenfalls nicht ausgeräumt werden. „Das alles kling wie ein Werbeabend für schöneres Wohnen“, erklärte BI-Sprecher Wintersberger. Erste Ansprechpartner sei die Gemeinde, die für die Bürger verhandeln müsse, sagte er. Gleichzeitig kündigte er für den 11. Jänner 2023 eine eigene Bürgerinformationsveranstaltung an.
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