Neues Verteilerzentrum: Bürgerinitiative legt sich mit Amazon an

Am 53.000 m² großen Grund, der das Amazon-Verteilzentrum beherbergen soll, wurden vor wenigen Wochen noch die Kürbisse geerntet
Bürgerinitiative in St. Valentin nimmt sich andere Amazon-Gegner zum Vorbild. Betreiber laden zu Informationsabend im Dezember.

Das Ansinnen des Online-Riesen Amazon, auf einem 53.000 Quadratmeter großen Areal bei St. Valentin in Westniederösterreich ein Paketverteilzentrum für die „letzte Meile“ zu errichten, sorgt in der Region für immer mehr Zündstoff. Obwohl der Widerstand zunimmt, hält der deutsche Immobilienentwickler Fraktal Development am Vorhaben fest und hat für Mitte Dezember einen Bürgerinformationsabend angekündigt.

Die Firma würde das mächtige Betriebsobjekt errichten und dann an Amazon vermieten. „Derzeit gibt es Gespräche, aber noch keine Verhandlungen. Es wurden noch keine Projektunterlagen eingereicht“, bestätigt St. Valentins Bürgermeisterin Kerstin Suchan-Mayr (SPÖ). Vor Ort macht sich Widerstand breit und die Bürger suchen sich auch Hilfe aus dem benachbarten Ausland sowie Oberösterreich und der Steiermark.

Kritik am geplanten Amazon-Verteilerzentrum bei St. Valentin

Dem Projekt auf der grünen Wiese schlägt von immer mehr Seiten offener Widerstand entgegen, der längst über die 9.300 Einwohner zählende Stadt hinausgeht. Zuletzt äußerten sich ja auch der St. Pöltner Diözesanbischof Alois Schwarz als indirekter Eigentumsvertreter eines der betroffenen Grundstücke und LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf als Chef der NÖ Raumordnungsbehörde sehr kritisch gegen die befürchtete Versiegelung wertvollen Ackerlands.

Das fünf Hektar große Gebiet neben der Ortschaft Thurnsdorf ist seit rund zwei Jahrzehnten als Betriebsgebiet gewidmet. In der Vorwoche teilte Bischof Schwarz gegenüber der Kathpress mit, dass noch keine Ankaufsanfragen vorgelegen seien. Die tatsächliche Entscheidung liege aber bei der Pfarre St. Valentin, der der Grund gehöre, wurde dem KURIER seitens der Diözese mitgeteilt.

Neues Verteilerzentrum: Bürgerinitiative legt sich mit Amazon an

100 Arbeitsplätze und mehr sollen im neuen Center angesiedelt werden

Mit einem mehrheitlichen Gemeinderatsbeschluss mit 18 Befürwortern zu 13 Gegner wurde Amazon die Option auf das Areal, das zu einem großen Teil der Stadt St. Valentin gehört, eröffnet. „Die Stadtpolitik wäre eigentlich dazu da, unsere Interessen gegen Amazon zu vertreten, anstatt Eigeninteressen zu verfolgen“, kritisieren Susanne Webersdorfer und Waltraud Leeb von der Bürgerinitiative gegen den Amazon-Terminal.

Neues Verteilerzentrum: Bürgerinitiative legt sich mit Amazon an

Susanne Webersdorfer (r.) und Waltraud Leeb von der BI gegen das Amazon-Verteilzentrum

550 Gleichgesinnte haben mittlerweile die Onlinepetition im Internet  gegen das Amazon-Verteilerzentrum unterzeichnet. „Daneben gehen wir von Haus zu Haus und haben ebenfalls bereits über 600 Unterschriften gegen Amazon gesammelt“, so Webersdorfer. Sie steht in direkten Kontakt mit deutschen Gewerkschaften, um über die dortigen Arbeitsbedingungen in Amazon-Logistikstellen Bescheid zu wissen.

Auch wenn bereits kolportiert worden sei, dass die geplanten rund 100 Mitarbeiter in St. Valentin unter einem Kollektivvertrag beschäftigt würden, traue man diesen Versprechungen nicht, so Webersdorfer. „Wir fordern nachhaltige Arbeitsplätze. Gegen Firmen, die weit weniger Boden versiegeln und dafür weit mehr Lehrlinge und Facharbeiter ausbilden würden, hätten wir auf diesem Betriebsgrund sicher nichts“,  sagt sie.

Vorbilder beim Widerstand gegen Amazon

In ihrem Kampf, das sechste österreichische Verteilzentrum des Onlineriesen verhindern zu können, nehmen sich die St. Valentiner andere Bürgerinitiativen zum Beispiel. „In Dornbirn und in Graz ist das gelungen. In Kronstorf, im benachbarten Oberösterreich, ist man gerade dabei, einen Erfolg zu feiern“, schildern Webersdorfer und Leeb. In Kronstorf im Bezirk Linz-Land, wo sich ja auch der US-Gigant Google ansiedelt, wäre ein Amazon-Logistikzentrum geplant. 950 Gegner haben die dort initiierte Onlinepetition bereits unterzeichnet.

Neues Verteilerzentrum: Bürgerinitiative legt sich mit Amazon an

St. Valentiner Bürgermeisterin Suchan-Mayr

Für die Entscheidung in St. Valentin wird vor allem die Anrainerbelastung durch die täglich erwarteten rund 600 zusätzlichen Fahrzeuge ein entscheidender Faktor sein. „Darüber können wir erst sprechen, wenn uns genaue Unterlagen und auch ein Verkehrskonzept vorgelegt worden sind“, sagt Bürgermeisterin Suchan-Mayr. Auch aus anderen Fraktionen wird die Linie unterstützt, erst die Optionen und Möglichkeiten zu prüfen, wie umweltverträglich das Amazon-Lager errichtet werden könne und welche positiven Maßnahmen die Stadt  durchsetzen könnte, bevor man das Projekt von vornherein ablehnt.

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ÖVP-Stadtrat Andreas Pum

„Die Arbeitsplätze sind sicher eine große Chance für unsere Stadtgemeinde. Es ist klar, dass der Onlinehandel die Zukunft mitbestimmen wird. Mit oder ohne dem Standort in St. Valentin“, fährt etwa auch der ÖVP-Stadtrat Andreas Pum die Linie der SPÖ-Bürgermeisterin. 

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