Alt-Prerau: Wo Innovationsgeist auf geschichtsträchtige Erde trifft
Von Paloma Pöltinger
„An meinem Beruf gefällt mir besonders gut, dass ich jeden Tag mit der Natur arbeiten und ihren Kreislauf unmittelbar spüren kann“, sagt Maria Harmer auf dem Gutshof ihrer Familie. Hier, in Alt-Prerau (Bezirk Mistelbach), inmitten von weitläufigen Ackerlandschaften, wuchs sie auf.
Nach dem Studium der Bodenkultur in Wien kehrte sie vor drei Jahren zu ihren Wurzeln zurück. Zusammen mit ihrem Vater Robert führt sie den Betrieb.
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Schwiegersohn Thomas Oehlinger ist im Getreidehandel tätig. „Meine Tochter führt den Betrieb hervorragend und machte Dinge auf, an die ich nie in meinem Leben gedacht habe. Wir machen einen Übergang von Altbauern zu Jungbauern“, so Robert Harmer.
Viele Getreidearten
Am Gutshof der Familie wächst auf ca. 1.650 Hektar hochwertiges Getreide auf österreichischem und tschechischem Boden. Auf den großen Feldern rund um den Hof sprießen Weizen, Hafer, Hirse, Dinkel, Grießmais, Popmais, Mahlroggen und Speisegerste; auch Erdäpfel, Linsen und Karotten werden angebaut.
„1990 wurde der Grenzübergang geschaffen, damit wir die Äcker auf der tschechischen Seite jederzeit bewirtschaften können“, erklärt Maria Harmer. Bevor das Schild an der Staatsgrenze montiert worden ist, war es wegen des Zolls notwendig, den weiten Umweg über Drasenhofen auf die tschechischen Felder zu nehmen.
Und dann hat jemand die Frage gestellt: 'Darf der überhaupt bio werden?'
Die Thaya bildet die Grenze zwischen Österreich und Tschechien und markiert auch die Grundstücksgrenze des Gutshofs.
Historisch
Diese Grenze spielt in der Geschichte des Gutes eine besondere Rolle. Als mährisches Dorf wurde Alt-Prerau erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt. Neu-Prerau (Nový Přerov) liegt auf tschechischer Seite. 300 Jahre war das Gut dem Verfall preisgegeben, dann entwickelte sich Alt-Prerau zu einem hochproduktiven Ackerbau-Betrieb.
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1922 kaufte Julius Meinl II. den Hof und machte ihn zu einem autarken Betrieb der landwirtschaftlichen Industrie. Hier wurden Gemüsekonserven für die Meinl-Geschäfte produziert. Ein Meinl-Geschäft aus dieser Zeit steht bis heute am Hof.
1944 erwarb der Vater von Robert Harmer – er saß im Aufsichtsrat von Meinl – den Betrieb; ein Jahr später wurde die deutschsprachige Bevölkerung aus Mähren vertrieben. Am Gutshof fanden viele Flüchtlinge Zuflucht und Arbeit.
Pioniergeist
Jahre später brachte sich der heutige Altbauer Robert Harmer mit neuen Ideen am Hof ein. 1983 legte er den Grundstein für die biologische Landwirtschaft in Alt-Prerau. Sein Hof zählte zu den ersten Betrieben in Niederösterreich, die auf Bio umsattelten. „Als ich umgestellt habe, war eine Kommission des Boltzmann-Instituts hier. Und dann hat jemand die Frage gestellt: ‚Darf der überhaupt bio werden?‘“, lacht Robert Harmer heute.
Es werden nur Impulse in den Organismus Erde gesetzt, damit die Erde die Lebenskräfte voll entfalten kann.
In den ersten Jahren baute er alles an, was möglich war. Bald erkannte er, dass er sich aufgrund seiner großen Flächen spezialisieren musste. Wegen der Rahmenbedingungen fiel die Wahl auf Getreide.
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2005 ging Robert Harmer noch einen Schritt weiter: Sein Betrieb erhielt die Demeter-Anerkennung. „Mir war klar, dass das die Zukunft ist“, sagt er.
Im Kreislauf
Demeter vertritt einen bio-dynamischen Ansatz, der zwischen den fünf Elementarebenen (Boden, Pflanze, Mensch, Tier und Kosmos) einen ganzeinheitlichen Kreislauf herstellt. Ein wichtiger Aspekt sind dabei Präparate, die in den Boden eingearbeitet werden.
Eines davon ist der Horn-Mist, bei dem ein Kuhhorn mit Kuhfladen befüllt wird. Im Herbst werden die Hörner in den Boden eingegraben und im Frühling entnommen. Der Inhalt der Hörner wird zu Kugeln geformt und auf den Feldern verteilt.
Die Präparate werden nicht großflächig als Dünger eingesetzt, sondern nur punktuell. „Ich vergleiche das gerne mit der Akupunktur bei Menschen: Es werden nur Impulse in den Organismus Erde gesetzt, damit die Erde die Lebenskräfte voll entfalten kann“, erläutert Maria Harmer.
Die Demeter-Landwirtschaft diene auch der Klimaresilienz. Die Böden seien in der Lage, mit den häufiger und intensiver werdenden Wetterschwankungen auszukommen, sagt die Jungbäuerin.
Kooperationen
Neben den klimatischen Veränderungen entpuppte sich die Vermarktung der Produkte als Herausforderung. Der Familienbetrieb verkauft wegen der dort größeren Bekanntheit von Demeter oft nach Deutschland. Doch aktuell schwäche die Inflation den Absatz am Bio-Lebensmittelmarkt.
„Das wird sich hoffentlich bald ändern. Bio-Produkte sind teilweise billiger als konventionelle“, erklärt Maria Harmer. Sie liefert beständig an die Bio-Bäckerei Öfferl und vertreibt Demeter-Produkte der Marke „Campo Verde“ über die Drogeriemarkt-Kette DM.
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