Drama um traumatisierte Familie

Diese tschetschenische Flüchtlingsfamilie soll aus Österreich abgeschoben werden. In Tschetschenien droht ihr aber der Tod, so die Caritas.
Tschetschenen erzählen, warum ihnen in ihrer Heimat die Verschleppung droht.

Die drohende Abschiebung einer tschetschenischen Familie sorgt für Aufregung. Die Caritas kritisiert jetzt die Entscheidung des Asylgerichtshofes. Werde die Familie K. in ihre Heimat zurückgeschickt, drohe ihr dort großes Ungemach.

Das ist die Geschichte der Familie, die die Caritas für glaubwürdig hält: Es begann im Jahr 2000. Die damals 18-jährige Nichte von Adam K., dem Familienvater, der jetzt abgeschoben werden soll, wurde von einem Oberst der russischen Armee im zweiten Tschetschenienkrieg vergewaltigt und umgebracht. Der Oberst ging in Haft und sollte Jahre später vorzeitig aus der Haft entlassen werden. Die Familie des getöteten tschetschenischen Mädchens kontaktierte daraufhin einen Anwalt. In einer Pressekonferenz kündigte dieser an, gegen die vorzeitige Entlassung vorzugehen. Auch der Anwalt wurde ermordet.

Der Offizier, von dem hier die Rede ist, war Juri Budanow. Das Mädchen, das er getötet hat, war Elsa K. Der Anwalt, der gegen Budanows Entlassung kämpfte, war Stanislaw Markelow – jener Menschenrechtsanwalt, der auch die Journalistin Anna Politkowskaja vor ihrem Tod vertrat. Das Schicksal des Mädchens und des Anwalts ging um die Welt, zahlreiche Medien berichteten darüber.

2009 wurde Oberst Budanow tatsächlich frühzeitig aus der Haft entlassen, zwei Jahre später wurde er ermordet. Laut Caritas fiel der Verdacht auf die hinterbliebene Familie von Elsa K., die ein Motiv gehabt hätte. Deshalb floh die siebenköpfige Familie K. aus Tschetschenien. Seit Ende August 2011 leben Adam K., seine Frau Aschar Sch. und ihre fünf Kinder in Österreich. Ihnen droht jetzt die Abschiebung.

"Unglaubwürdig"

„Die Beschwerde wurde wegen mangelnder Glaubwürdigkeit und aufgrund widersprüchlicher Angaben abgewiesen“, sagt eine Sprecherin des Asylgerichtshofes.

Die Caritas bewertet den Fall anders: „Wir haben zahlreiche Beweise, dass diese Familie genau dieses tragische Schicksal erlitten hat“, sagt die Rechtsberaterin der Familie. Trotzdem wurde der Asylantrag der Familie abgewiesen und eine Wiederaufnahmeantrag abgelehnt.

Aschar Sch., die Mutter der fünf Kinder ist verzweifelt: „Nach dem Mord an Budanow gab es in unserem Haus täglich Razzien von den Russen. Sie haben uns ins Auge gefasst“, sagt Sch. „Als sie uns gedroht haben, meinen Mann einfach mitzunehmen, sind wir gegangen.“

Seit 2011 lebt die Familie in Österreich, zuerst im Lager Traiskirchen, dann in einem Notquartier der Caritas. Die größeren Kinder gehen zur Schule, der Kleinste bleibt noch zu Hause. Die Kinder sprechen Deutsch, die Mutter besucht Deutschkurse und hilft im Caritas-Nachbarschaftsprojekt. Vor allem ihr Mann sei stark traumatisiert.

„Wir können uns nicht vorstellen, was passiert, wenn wir zurückkommen. Die Kinder hören unsere Gespräche. Sie haben mitbekommen, dass wir zurückmüssen. Sie schreien dann: ‚Ich fahre nicht nach Hause‘“, sagt Sch. Sie fürchtet, in der Heimat verschleppt zu werden, ihr Mann hat Angst um sein Leben.

27. März 2000 Elsa K., die Nichte von Adam K., wird vom russischen Oberst Juri Budanow ermordet.

Juli 2003 Oberst Budanow wird als erster Kriegsverbrecher aus dem zweiten Tschetschenienkrieg zu zehn Jahren Haft wegen des Mordes an Elsa K. verurteilt.

15. Jänner 2009 Oberst Budanow wird frühzeitig aus der Haft entlassen.

19. Jänner 2009 Stanislaw Markelow, der Anwalt von Familie K., wird nach einer Pressekonferenz, in der er angekündigt hatte, gegen die frühzeitige Entlassung Budanows vorzugehen, ermordet.

10. Juni 2011 Oberst Juri Budanow wird in Moskau mit sechs Schüssen ermordet.

August 2011: Familie K. flüchtet nach Österreich und kommt im August im Füchtlingslager Traiskirchen an.

14. Jänner 2012 Familie K. wird von der Fremdenpolizei einvernommen.

27. April 2012: Der Asylgerichtshof bestätigt das erstinstanzliche Urteil: Der Asylantrag wird wegen „mangelnder Glaubwürdigkeit aufgrund widersprüchlicher Angaben“ abgewiesen: Familie K. muss zurück nach Tschetschenien.

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