711 Tage unschuldig in Zelle

711 Tage unschuldig in Zelle
Zuerst zu 12 Jahren Haft verurteilt. Nach der Wiederaufnahme setzte es am Dienstag einen Freispruch für Franz Ambrosi.

Franz Ambrosi ist ein freier Mann. Nach 711 Tagen hinter Gittern und jahrelangem Zittern und Bangen haben die Geschworenen am Landesgericht Wiener Neustadt dem 42-jährigen Mödlinger tatsächlich die Freiheit geschenkt. Vergleichbare Fälle gab es nur selten in der Justizgeschichte. Ambrosi war wegen Mordversuchs an seiner damaligen Ehefrau zu zwölf Jahren Haft verurteilt und im Mai 2009 überraschend wieder freigelassen worden. Die Grazer Juristin Karin Prutsch hatte mit einem brisanten Privatgutachten eine Wiederaufnahme des Falles erreicht. Die Expertise ließ Zweifel an der Tatversion der Ex-Ehefrau aufkommen. Am letzten Prozesstag am Dienstag ging es um die strittige Frage: Hat Ambrosi tatsächlich versucht, seine Frau mit einem Seil zu erdrosseln, oder hat er sich nur gegen einen Messerangriff von ihr zur Wehr gesetzt? Gleich drei eingesetzte Gutachter, zwei davon vom Gericht und ein Privatsachverständiger, hielten beide Tatversionen für "denkbar". Die geschiedene Frau gibt an, ihr Ex-Mann habe ihr von hinten ein Seil über den Kopf geworfen und  versucht, sie zu strangulieren. Im Todeskampf habe sie zu einem Messer gegriffen und es ihrem Mann seitlich an seinem Rumpf vorbei in den Rücken gerammt. Daran gibt es jedoch begründete Zweifel.

 

CSI-Schweiz

Der Schweizer "Mister CSI", wie der Staatsanwalt  den Zürcher Rechtsmediziner Michael Thali nennt, hat eine 3-D-Analyse der Stichkanäle in Ambrosis Rücken erstellt. Demnach kann die Frau, so wie wochenlang von ihr behauptet, keinesfalls mit der rechten Hand zugestochen haben. Später meinte sie, sie habe das Messer doch links gehalten. Aber selbst dann wäre immer noch ein enormer Kraftaufwand erforderlich gewesen, sagen die Experten. Für Ambrosi sprach, dass er vor der Tat an der Schulter operiert  wurde und er deswegen seinen rechten Arm kaum heben konnte. Wie also soll er im Todeskampf von hinten das Seil festgehalten haben? Die Geschworenen sprachen Ambrosi einstimmig frei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat drei Tage Zeit, eine Erklärung abzugeben.

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