Hohe Fehlerquote: Was läuft schief im Asylamt?
Wenn fast jeder zweite Asylbescheid, gegen den sich ein Betroffener wehrt, von einem Richter korrigiert wird, muss es einen Fehler im System geben – oder es steckt politisches Kalkül dahinter. Das sagen zumindest Kritiker des Asylwesens, die sich durch Zahlen, die nach einer parlamentarischen Anfrage vorliegen, bestätigt fühlen (der KURIER berichtete) .
Was hat es mit der Statistik auf sich? Und was läuft schief im Asylamt? Der KURIER begab sich auf Spurensuche.
Was macht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA)?
Das BFA entscheidet seit 2014 über Anträge auf internationalen Schutz (Asyl, subsidiärer Schutz) bzw. die Vergabe humanitärer Aufenthaltstitel; über Maßnahmen wie Schubhaft, Abschiebungen und Überstellungen nach „Dublin-Verordnung“. Betroffene können in zweiter Instanz beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Beschwerde einlegen.
Wie oft hatten diese Beschwerden Erfolg?
Am BVwG ging es 2017 in 11.550 Verfahren konkret um Anträge auf Schutz bzw. Aufenthaltstitel. Richter haben in 4900 Fällen die Entscheidung der ersten Instanz aufgehoben oder abgeändert – das sind 42,4 Prozent der Verfahren.
Wo liegt die Quote des Asylamts im Vergleich zu anderen Behörden, die vom Bundesverwaltungsgericht korrigiert werden?
Deutlich höher: Rechnet man aus der Bilanz des BVwG alle Asyl- und Fremdenrechtssachen (16.000 aus 29.200) heraus, bleiben rund 13.200 Verfahren aus anderen Bereichen (Vergaberecht, Umweltverträglichkeitsprüfungen, etc.). Hier wurden etwa 1800 der erstinstanzlichen Entscheidungen aufgehoben – also nur rund 14 bis 15 Prozent, bestätigt eine Sprecherin.
Die durchschnittliche Aufhebungsquote aller Fälle am BVwG lag 2017 bei 27 Prozent, bei allen Fremdenrechtsangelegenheiten (inklusive " Dublin" und Maßnahmenbeschwerden) lag sie bei rund 36 Prozent. Und bei den Asyl-Anträgen alleine eben bei 42,4.
Warum wird aufgehoben bzw. abgeändert?
Das liegt an der rechtliche Beurteilung oder an formalen Fehlern. Laut Juristen ist aber gerade im Asylbereich die Frage der Glaubwürdigkeit zentral. Zu beachten ist, dass Bescheide oft mehrere Punkte enthalten, die einzeln bestätigt oder abgeändert werden können – das kann nur eine einzelne Frist oder auch den ganzen Bescheid betreffen, der dann positiv wird. Statistisch ist das aber nicht erfasst.
Wie erklärt man sich die Fehlerquote am BFA?
Kommt darauf an, wen man fragt. Ein BVwG-Richter, der anonym bleiben möchte, erzählt aus der Praxis: „Das BFA ist ein Massenbetrieb, die Flut an Asylverfahren war ein Riesenproblem, auch für uns. Nur haben wir die richterliche Unabhängigkeit, wir sind keinem Druck ausgesetzt. Wir lassen uns nicht sagen: arbeitet schneller.“
Kritiker vermuten, dass hinter den Negativ-Bescheiden politisches Kalkül steckt.
Asylanwälte wollen Unterschiede bei den einzelnen BFA-Außenstellen, aber auch nach Herkunftsländern der Antragsteller beobachtet haben. So sagt etwa Experte Christoph Riedl von der Diakonie, dass Afghanen vorwiegend negative Bescheide erhalten, seit Ende 2016 ein Rücknahmeabkommen mit Afghanistan geschlossen wurde. „Dabei hat sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert. Diese Entscheidungen sind falsch und politisch motiviert“, kritisiert er.
Und was sagt der BFA-Chef zur Kritik?
Wolfgang Taucher weist den Vorwurf, seine Beamten stünden unter politischem Druck, entschieden zurück. Ebenso, dass es Qualitätsmängel gebe. „Dass ein Gericht Entscheidungen abändert, liegt in der Natur einer Rechtsmittelkontrolle“, sagt er zum KURIER. Sein Amt liege da im Normbereich.
Bei 60.048 Asyl-Entscheidungen im Vorjahr, getroffen von 478 Case-Ownern, sei 2017 zwar viel zu tun gewesen, aber „unsere Mitarbeiter arbeiten streng nach rechtlichen Standards. Qualität ist uns sehr wichtig“, betont Taucher. Im Vorjahr haben 1350 Mitarbeiter 12.300 Ausbildungstage genutzt.
Kommentare