"Diese Leute hören nicht auf uns"

Imam Salim Mujkanovic predigt in Wiens größter Moschee den Frieden. Nach Firas H.s Anschuldigungen muss sich der Sprecher des Islamischen Zentrums mittlerweile aber fast täglich rechtfertigen
In Wiens größter Moschee distanziert man sich von Dschihadisten – mit mäßigem Erfolg.

Imam Salim Mujkanovic ist zurzeit im Dauerstress. Seit der per internationalem Haftbefehl gesuchte Wiener Dschihadist Firas H. gegenüber Puls4 behauptete, im Islamischen Zentrum in Floridsdorf werde die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aufgerüstet und der Direktor habe diesbezüglich "sämtliche Antworten" reißen die Medienanfragen nicht ab. Journalisten aus dem In- und Ausland wollen wissen, ob die größte Moschee Wiens tatsächlich eine "Hochburg der Radikalen" ist. Nicht zuletzt, weil auch der in Syrien getötete Austro-Dschihadist Mikail K. hier gebetet hatte.

Immer wieder stellt Mujkanovic klar, dass man im Islamischen Zentrum mit radikalen Strömungen nichts zu tun haben will. Warum Direktor Hashim Mahrougi von Firas H. der Mitwisserschaft bezichtigt wurde, kann er sich nicht erklären. Im Gespräch mit dem KURIER sagt der Imam: "Das ist völlig absurd. Wir kennen diese Person gar nicht."

Zudem würde man verdächtige Personen umgehend den Sicherheitsbehörden melden, sagt der bosnisch-stämmige Imam. Mit dem Verfassungsschutz gebe es eine enge Zusammenarbeit. "Solche extremen Gruppierungen agieren ja auch gegen uns. Für sie sind wir Ungläubige oder ,weichgespülte Muslime‘. Diese Leute hören nicht auf uns."

Eine deutliche Abgrenzung von Dschihadisten versuchte im Rahmen des Freitagsgebetes auch Direktor Mahrougi selbst. Vor Hunderten Gläubigen erklärte der saudiarabische Kleriker, dass die radikale Ideologie der IS "im Widerspruch zur Lehre des Islam" stehe.

Kein Generalverdacht

Beim Verfassungsschutz bestätigt man die Kooperation mit dem Islamischen Zentrum. "Einzelne Personen, die in die Moschee kommen, stehen unter Beobachtung. Deshalb steht aber nicht die gesamte Moschee unter Generalverdacht", sagt Alexander Marakovits vom Innenministerium. An den Vorwürfen gegen Mahrougi sei "nach unseren Informationen nichts dran".

Der getötete Dschihadist Mikail K. gehörte allerdings nicht zu den Observierten. Bis zu seinem Verschwinden war er nicht amtsbekannt.

Dass trotz der Kooperationsbereitschaft der Moschee-Betreiber radikale Tendenzen nur schwer zu verhindern sind, liege an der Größe des Gotteshauses, erklärt Marakovits. "Das ist wie im Stephansdom: Dort treffen sich auch viele Gläubige, die mit der Leitung nichts zu tun haben. Wer sich mit wem trifft und worüber sie sich unterhalten, entzieht sich der Kenntnis der Leitung."

In dieselbe Kerbe schlägt Mujkanovic: "Die meisten Menschen, die herkommen, sind uns fremd." Allein beim Freitagsgebet suchen etwa 3000 die Moschee auf.

Um Radikalisierung vorzubeugen, setze man daher auf Prävention durch Aufklärung. Durch Moschee-Führungen etwa oder durch Jugendarbeit. Dass radikale Islamisten von Boulevardmedien mit der Mehrheit gläubiger Muslime in einen Topf geworfen werden, mache allerdings viel der mühsamen Bewusstseinsarbeit zunichte.

Solche Verallgemeinerungen nerven auch Ramazan Demir von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) – die für 250 Moscheen zuständig ist (das Islamische Zentrum zählt nicht dazu). Geschätzten 600.000 Muslimen in Österreich stünden 130 Dschihadisten gegenüber, die in Syrien kämpfen, betont der Beauftragte für Moschee-Führungen. Radikale seien aber schwer zu identifizieren, "weil wir nicht jedem Moschee-Besucher ins Herz schauen können".

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Zur Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) gehören bundesweit 250 Moscheen. "Gegen 13 sogenannte radikale Moscheen, die wir aus Zeitungen kennen, sind wir allerdings machtlos", erklärt Präsident Fuat Sanac. Denn die Betreiber haben sich im Gegensatz zu den Gründervereinen der 250 anderen Gebetshäuser nicht zu den IGGiÖ-Statuten bekannt. "Selbst, wenn wir die Behörden vor Radikalen warnen, sind ihnen wegen der Gesetzeslage die Hände gebunden. Denn jeder darf einen Verein gründen."

Sanac fordert daher eine Novellierung des Islamgesetzes. Das Bekenntnis zur IGGiÖ-Verfassung solle für alle Gründervereine verpflichtend sein. "Wir wollen keine Diktatur", sagt der Islam-Gelehrte. "Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser."

Gegenüber Imamen oder Religionslehrern, die ihre Funktion für politische Propaganda nutzen, gebe es in der IGGiÖ null Toleranz, betont Sanac. Wer gegen die Richtlinie verstößt, werde entlassen. Um Radikalisierung zu verhindern, setzt man auf Aufklärung – etwa durch 200 Frauen- und Dialogbeauftragte. "Es ist traurig, dass wir Muslime vor Muslimen schützen müssen."

Vom Extremismus der Terrormiliz IS distanziert sich die IGGiÖ ausdrücklich. "Im Koran steht, im Glauben gibt es keinen Zwang. Man muss alle Religionen respektieren. Aber IS will Leute zwingen, ihre Religion zu ändern. Außerdem versklaven und vergewaltigen sie Frauen – das ist Barbarei", sagt Sanac. "Wie lässt sich das mit dem Islam vereinen?"

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