"Wenn die Fleiss zu bleibt, ist dass das Ende des Wintertourismus in Heiligenblut", bringt es der Obmann des Tourismusverbandes, Erhard Trojer, auf den Punkt. Man trifft Trojer in seinem Hotel, dem Lärchenhof. Vier Sterne und drei Minuten Fußmarsch von der Talstation der Großglockner Bergbahnen entfernt, die Mitten im Zentrum des Ortes liegt.
Betten als Währung
Trojer kennt die Gegend. Seit 1984 leitet er das Hotel, 2004 wurde großzügig renoviert. Gute 50 Betten hat das Haus. Und Betten sind auch die Währung, die die Bergbahnen immer wieder ins Rennen werfen, wenn es um die Wirtschaftlichkeit der Lifte geht.
In der Saison 2008/09 nächtigten 160.000 Personen in Heiligenblut. Sogenannte Skier Days (Ersteintritt eines Skifahrers in den Lift pro Tag) gab es 193.000.
2022/23 waren es 100.000 Nächtigungen und 111.500 Ersteintritte. Die Logik der Bergbahnen: Mehr Betten, bedeuten mehr Skifahrer.
Platzhirsch Günther
Spricht man mit Heiligenblutern wird die Ausgangslage erst gar nicht schön geredet. Zu sehr habe man sich auf die Großglockner Hochalpenstraße verlassen. Zu sehr darauf, dass die Gäste beim Vorbeifahren Richtung Großglockner auch in den Ort "fallen" würden. "Nur das haben halt die wenigsten getan und darauf haben sich viele Hoteliers ausgeruht", sagt ein Heiligenbluter, den man im Ortszentrum trifft.
Seinen Namen will er nicht in den Medien lesen. Man solle sich einen auf einer der Keramiktassen aussuchen, die im Souvenirshop gegenüber verkauft werden, schlägt er vor. Am Häferl dort steht etwa: Platzhirsch. Und darunter: Günther.
Freeriden in der Fleiss
"Aber es passiert im Moment so viel bei uns. Wir haben einen großen Investor an der Hand. Wenn dieser investiert, löst dies auch bei anderen Hoteliers etwas aus. 1.000 Betten mehr in den kommenden sechs Jahren sind aus meiner Sicht absolut realistisch", sagt Trojer, während er einem Bilder von Tiefschneeabfahrten in die Fleiss am Handy zeigt.
Denn neben den offiziellen Skipisten, würde auch das wegfallen: Ein Eldorado für Freerider. "Du kannst bei uns um 15 Uhr aufn Berg fahren und findest einen unverspurten Hang", sagt Trojer.
Investor als Hoffnung
Mit besagtem Investor ist Thomas Seitlinger (Besitzer der Burg Finkenstein) und seine Tomas Group gemeint. Seitlinger hat in Heiligenblut nicht nur den Kärntnerhof und das Haus Senger übernommen, er will mit einer Investorengruppe auch mit den Bergbahnen wieder in Verhandlungen treten. Diese hatten, wie berichtet, zunächst vom Land Kärnten einen Zuschuss aus Steuermitteln zur Deckung des Abganges oder eine Pachtung des Skigebiets um mehrere Millionen gefordert.
Als das Land bei dieser Forderung nicht mitspielte und festhielt, man lasse sich nicht erpressen, drohte zwischenzeitlich sogar die komplette Schließung des Skigebiets. Die regionale Investorengruppe um Seitlinger bot an, zu übernehmen. Die Bergbahnen, bestehend aus den Familien Schmidl und Schröcksnadel, lehnten ab und entschieden sich für den Abbau der Fleiss. Dass nun wieder verhandelt werden soll, wird von den Bergbahnen nicht kommentiert.
Gäste verunsichert
Gewiss war durch dieses Hin und Her, dass in Heiligenblut den gesamten Winter über Ungewissheit herrschte. "Was soll man den Stammgästen denn sagen, wenn man selber nicht weiß, wie es weitergeht?", fragt Claudia Brandstätter, die gemeinsam mit ihrem Mann Klaus das Hotel Landgasthof Sonnblick betreibt.
Selbst Einheimische würden bei Fragen, etwa zu Investitionen, die Antwort erhalten: „Jetzt wart ma mal, ob der Lift aufsperrt.“
Von der Terrasse des Hauses hat man normalerweise freien Blick auf Österreichs höchsten Berg - wenn schönes Wetter ist. Heute muss man mit Fotos vom Kaiserkreuz, dem Gipfelkreuz auf 3.798 Meter Seehöhe, hinter der Bar Vorlieb nehmen.
Unter ihnen steht Claudia Brandstätter. "Was offenbar keiner bedenkt: Die Fleiss ist viel leichter und flacher zum Fahren, als das Schareck. Man kann da ja nicht einfach jeden Skifahrer hinstellen", sagt sie.
Alternativen für den Winter
Der Plan, den Tellerlift für Kinder am Fallbichl wieder aufzubauen, löst nur Kopfschütteln aus. Viel ungeschützter seien die Kleinen dort, ganz abgesehen vom Wind.
"Was es braucht, sind Alternativen, die man sich für unsere Region überlegen muss. Skitouren etwa. Dafür ist unser Gebiet wie gemacht", sagt Klaus Brandstätter.
Zukunft für Junge
Ebenso wie Zukunftsperspektive. Nicht nur für den kommenden Winter. "Wir haben im Ort zehn Jugendliche, die Tourismusschulen besuchen. Der Wille der Jungen ist da, dass sie daheim die Betriebe fortführen. Wir haben die Verpflichtung, diesen jungen Menschen eine Zukunft zu ermöglichen", sagt Tourismusobmann Trojer, wenige Meter von der Talstation der Bergbahnen entfernt.
Dort hängt übrigens ein Schild, auf dem ein Interview mit Bergbahn-Gründer und Fleiss-Erschließer Josef Schmidl abgedruckt ist. Schmidl antwortet auf die Frage, ob es Widerstand gegen die Errichtung der Bergbahnen gab, folgendes:
"Wer das Leben im Dorf kennt, weiß dass nahezu alles Neue anfangs mit Argwohn betrachtet wird. Und ich denke, oft ist das wohl auch gut so."
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