Junior-Marathon: Linz ist kein Einzelfall

Rempeln und zerren sind bei einigen Müttern und Vätern das Mittel der Wahl, um aufs Podest zu kommen.

"Ich habe mich mit meinem Sohn extra weiter hinten angestellt, weil schon beim Start so ein Gedränge war. Beim Lauf selbst habe ich dann mitbekommen, dass einige Eltern ihre Kinder die letzten zehn bis 15 Meter an der Hand mitgeschleift und die Kinder geweint haben", erzählt Günter Hymer. Der Niederösterreicher war mit seiner Frau und den beiden Söhnen im Alter von drei und fünf Jahren beim Linzer Junior-Marathon dabei. Der Vorfall in Linz war jedoch nicht das erste Mal, dass er solch unschöne Szenen miterlebt hat: "Ich finde Kinderläufe wirklich sehr gut und meine Kinder haben immer Spaß dabei. Aber das, was manche Eltern da machen, grenzt teilweise schon an Körperverletzung."

Seit dem KURIER-Bericht über Eltern, die beim Linzer Junior-Marathon ihre weinenden Kinder über die Ziellinie gezerrt haben, gehen die Wogen nicht nur in nationalen, sondern auch in internationalen Medien, wie bild.de und spiegel.de hoch.

Dabei war Sportfotograf Manfred Binder nur zufällig beim Lauf der Drei- und Vierjährigen dabei: "Ich hätte eigentlich erst beim Marathon am Sonntag fotografieren sollen, war aber am Samstag auf der Messe und bin dann ins Stadion gegangen. Da war der Kinderlauf. Und weil ich meine Kamera immer dabei habe, habe ich gleich Fotos gemacht", erzählt Binder. Seine Eindrücke schildert er so: "Einige Eltern wollten unbedingt als erste ins Ziel kommen. Die Kinder konnten ihnen aber nicht mehr folgen und haben zu weinen begonnen. Die Eltern haben sie trotzdem weitergezerrt."

Falscher Ehrgeiz

"So etwas darf nicht passieren. Ein Kind muss mit Spaß bei der Sache sein. Was da aber teilweise bei Kinderläufen abgeht, ist ein Wahnsinn", sagt Bartosz Schober. Auch er war mit seinen Söhnen beim Junior-Marathon in Linz dabei. Und auch er sagt: Das Bild, auf dem Kinder an der Hand der Eltern ins Ziel geschleift werden, ist kein Einzelfall.

"Ich bin in einem Verein und trainiere Kinder, bin also nicht nur mit meinen eigenen, sondern mit dem ganzen Verein regelmäßig bei Laufveranstaltungen dabei und kann sagen: Manche Eltern nehmen auf ihre Kinder keine Rücksicht. Da wird gerempelt und gestoßen, nur um erster zu werden." Erst beim vergangenen Silvesterlauf in Leoben habe Schober eine überehrgeizige Mutter erlebt: "Mein Sohn war vorne dabei und hat zu einem anderen Kind aufgeholt. Daraufhin hat die Mutter ihren Sohn an der Hand genommen und mitgeschleift." Das ganze laut Schober in einem Tempo, dass der Bub daraufhin im Ziel "fix und fertig war und geweint hat".

Grundsätzlich halten sowohl Günter Hymer als auch Bartosz Schober Juniorläufe für richtig und wichtig. "Kinder wollen sich messen und haben Spaß, miteinander zu laufen", meint Schober. Daher können Eltern sie sehr wohl zum Mitmachen motivieren und auch während des Laufs anspornen. "Aber nicht zwingen. Wenn ein Kind nicht mehr weiterlaufen will, müssen das die Eltern akzeptieren, sonst wird Kindern der Spaß an der Bewegung verdorben."

Hannes Gruber, Sportdirektor des Österreichischen Leichtathletik-Verbands (ÖLV) zeigt sich hinsichtlich der Bilder aus Linz schockiert, betont aber auch, dass man „aufgrund eines Bildes nicht auf alle schließen“ könne. Österreichweit würde es rund 500 Laufveranstaltungen pro Jahr geben, davon habe fast jeder auch einen Kinderlauf dabei. „Dass es da Eltern gibt, die es übertreiben und ihre Kinder zwingen, mitzulaufen, lässt sich leider nicht verhindern. Das Problem liegt bei den Eltern, nicht bei den Läufen“, sagt Gruber.

Wie Bartosz Schober (siehe oben) ist auch der ÖLV-Sportdirektor der Meinung, dass Kinder sich messen wollen und in der Regel mit Spaß bei der Sache sind. „Zu laufen ist der natürliche Instinkt von Kindern.“ Die Mehrzahl der Kinderläufe würde auch völlig reibungslos funktionieren. Zum Vorfall in Linz meint Gruber, die Eltern würden hoffentlich daraus lernen.

Am kommenden Wochenende finden im Rahmen des Vienna City Marathons (VCM), der am Sonntag stattfindet, einen Tag zuvor auch zwei Bewerbe für Kinder und Jugendliche statt. „So eine Situation wird es bei uns nicht geben, weil Kinder unter sechs Jahren gar nicht starten dürfen“, erklärt VCM-Sprecher Andreas Maier. Eltern würden nicht ausgesperrt werden und es werde auch keine Ordner geben, die sie von der Strecke holen.

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