Eine der größten, ältesten und prächtigsten Parkanlagen der Lagunenstadt öffnet für einen Tag ihre Pforten. Dort, wo einst Kaiserin Elisabeth zu Gast war und später der berühmte Maler sein Paradies fand.
Normalerweise ist das Tor zu dem prächtigen Garten hermetisch verschlossen. Er ist im Besitz der Hundertwasser Privatstiftung, die von dem im Jahr 2000 verstorbenen Maler ins Leben gerufen wurde. Nächste Woche wird die in Venedig gelegene, ehemalige Parkanlage des Meisters für einen Tag geöffnet – für ein Fest zu Ehren der Biennale. Zumal nur geladene Gäste eingelassen werden, gewähren wir Ihnen hier Einblick in Hundertwassers verwunschenen Garten Eden, in dem einst Kaiserin Elisabeth zu Gast war.
Dass der Garten Eden diesen Namen trägt, ist purer Zufall. Es liegt nicht daran, dass er, wie man annehmen könnte, ins göttliche Paradies führt, nein: einer der Besitzer hieß Eden. Frederic Eden war ein reicher Engländer, der 1884 auf der Venedig vorgelagerten Insel Giudecca ein Stück Land erwarb und darauf eine einzigartige Gartenanlage baute.
Ehemaliger Klostergarten
Auf dem Grund befand sich im 16. Jahrhundert der Obst- und Gemüsegarten eines Klosters, später wurde das Areal von Adeligen genützt, die darauf inmitten eines Blumenmeeres die Villa delle Rose errichteten, in der sie rauschende Feste feierten. 1860 war Österreichs Kaiserin Elisabeth hier, von deren Aufenthalt man nur weiß, dass sie, überwältigt von der Blütenpracht, zahlreiche Zierpflanzen zeichnete.
Als sich der Adel gegen Ende des 19. Jahrhunderts von hier zurückzog, griff Frederic Eden zu und schuf gemeinsam mit seiner Frau Caroline aus dem mittlerweile vermoderten Gelände mit von Unkraut überwucherten Pflanzen, verfallenen Gebäuden und Statuen ein Gartenparadies. Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser, so sein vollständiger Künstlername, kaufte das Anwesen im Jahr 1979 und überließ es testamentarisch der von ihm gegründeten Stiftung.
Versteckte Gärten
Venedig bringt man eher mit verwinkelten Kanälen, Gondolieri und marmornen Palazzi in Verbindung als mit wuchernden Parks. Es gibt sie aber, die historischen Gärten, doch sind sie hinter den hohen Palastmauern der Lagunenstadt verborgen und für die Öffentlichkeit nicht einsehbar.
Der Giardino Eden misst 17.000 m2 und ist somit größer als der Markusplatz. Henri de Régnier, ein französischer Schriftsteller, beschrieb den Garten als „üppig, denn alles gerät gut in diesem feuchten Boden, wo das Erdreich auf dem morastigen Schlamm der Lagune ruht“. Abends beobachtete Régnier „die ersten fernen Lichter auf der Lagune, das Zypressenwäldchen und den weißen Sand einer Allee“.
Mister Eden besaß den schönsten Garten Venedigs, doch sein Schicksal wollte es, dass er im Alter fast blind war und die Pracht der blühenden Rosen, Lilien, der Iris und des roten Salbeis nicht sehen konnte. Also „atmete“ er die Anmut der Pflanzenwelt ein, wie er sagte, und er liebte es, prominenten Künstlern Zutritt in sein Eldorado zu gewähren. So wurde der Garten Eden von Marcel Proust, George Bernard Shaw, Ernest Hemingway, Jean Cocteau und Eleonora Duse mit Liebhaber Gabriele D’Annunzio besichtigt.
Vom Verfall bedroht
Auch Rainer Maria Rilke war da und schrieb 1920, als der Garten nach Frederic Edens Tod vom Verfall bedroht war, an eine Vertraute: „Dort (in Venedig, Anm.) liegt der Garten, den Sie retten sollten – denn wenn einmal die verwitwete englische Eigentümerin stirbt, so sollen auf seinem Bereich Fabriken errichtet werden. Die Giudecca, einst das Gartengebiet Venedigs, ist schon reichlich industrialisiert.“
Der von Rilke befürchtete Fabrikbau blieb dem Garten Eden erspart, denn nach Caroline Edens Tod im Jahr 1928 ging er in das Eigentum der Prinzessin Aspasia von Griechenland über, deren Tochter Alexandra, die betrogene Frau des letzten Königs von Jugoslawien, hier ihre Memoiren „For Love of a King“ schrieb.
Im Jahr 1966 richtete eine Sturmflut verheerende Schäden in Venedig an, die auch vor dem Garten Eden nicht Halt machten. Weite Teile der Villa delle Rosa, die Nebengebäude sowie Steinfiguren und Pflanzen wurden beschädigt und zum Teil vernichtet.
Als Hundertwasser das verwunschene Paradies dreizehn Jahre später kaufte, wollte er als Vorreiter der Ökobewegung bewusst jeden gartenpflegerischen Eingriff vermeiden und die verwilderten Grünflächen der Natur überlassen. Sein langjähriger Freund und Manager Joram Harel, heute Vorstand der Hundertwasser Privatstiftung, weiß zu berichten, dass der Maler Venedig geliebt und Wochen und Monate des Jahres in seinem Giordano Eden verbracht hat. Harel gelang es, Hundertwasser davon zu überzeugen, den Garten soweit herzurichten, dass er auch heute wieder in seiner ganzen Pracht dasteht und nicht verwildert ist. Auch nach einem Unwetter im November 2019 konnte die Parkanlage einmal mehr mit viel Liebe und Aufwand gerettet werden.
Demnächst wird der Garten Eden – versehen mit einer Installation von Harald Schreiber – nach langer Zeit wieder für einen Tag geöffnet. Anlass ist der 90. Geburtstag des vom Wiener Architekten Josef Hoffmann geplanten Österreichischen Pavillons bei der Kunstbiennale in Venedig.
Friedensreich Hundertwasser, der auch in Österreich, Frankreich und Neuseeland Wohnsitze hatte, lebte und malte nie, wenn er sich in Venedig aufhielt, in der von Frederic Eden liebevoll „Palazzino“ genannten Villa delle Rose, sondern immer in dem einfachen Gärtnerhäuschen.
Der Maler führte, wo immer er war, das asketische Leben eines Einsiedlers.
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