Zum Tod von Günther Ziesel: Der legendäre Moderator zählte wie Horst Friedrich Mayer, Danielle Spera, Ingrid Thurnher, Robert Hochner und Ricarda Reinisch zu den Pionieren des ORF, die die „Nachrichtensprecher“ ablösten
Als am Donnerstag bekannt wurde, dass Günther Ziesel gestorben ist, fielen mir die alten Zeiten ein, in denen die TV-Nachrichten noch von Schauspielern gesprochen wurden. Sie hießen Peter Fichna, Herbert Kragora, Annemarie Berté, Gerd Prechtl und Frank Lester und lasen Texte vor, die andere für sie geschrieben hatten. Bis die Moderatoren kamen und die Informationsexplosion des ORF einläuteten. Zu ihnen zählten Horst Friedrich Mayer, Danielle Spera und Günther Ziesel.
Ohne Manuskript
Die Nachrichtensprecher und Programmansager aus den Urzeiten des Fernsehens kamen meist vom Theater und erlangten durch ihre Bildschirmauftritte unvergleichliche Popularität. Als Teddy Podgorski – er selbst war 1955 der erste Zeit im Bild-Sprecher – Anfang der 1970er-Jahre die Leitung der Sportredaktion übernahm, fand er, „dass der Sport von Leuten präsentiert werden muss, bei denen man das Gefühl hat, dass sie wissen, wovon sie reden. Und das sind eben Journalisten, die einem am Sonntagabend auch ohne Manuskript in der Hand erzählen können, was am Wochenende los war.“
Sprecher abserviert
Gerd Bacher, damals ORF-Generalintendant, gefiel die neue Form der Präsentation so gut, dass er 1975 sämtliche Nachrichtensprecher vom Bildschirm verbannte und durch Moderatoren ersetzen ließ. TV-Sprecher Peter Fichna ( 2021) erzählte vor Jahren, dass man ihn wie alle seine Kollegen gar nicht nobel abserviert hat: „Man ließ mich nach 16 Jahren plötzlich und ohne Angabe von Gründen nicht mehr auftreten. Ich stand einfach nicht mehr auf dem Dienstplan.“
Eine neue Zeit war angebrochen. Die Zeit der Journalisten im Fernsehstudio. Journalisten wie Horst Friedrich Mayer, Hans Georg Heinke, Walter Richard Langer, Gerhard Vogl und Günther Ziesel. Mit Einführung der „Doppelmoderation“ kamen vermehrt auch Journalistinnen zum Zug, darunter Danielle Spera, Ricarda Reinisch, Ursula Stenzel, Gertrude Aubauer und Hannelore Veit.
Rivalen am Bildschirm
Doch nicht nur die einstigen Sprecher, sondern auch die neuen Moderatorinnen konnten von einem Tag zum anderen auf sonderbare Weise verschwinden. So wurde die langjährige Zeit im Bild-Redakteurin Margit Czöppan mit der Begründung, sie sei dunkelhaarig (!) vom Bildschirm verdrängt.
Horst Friedrich Mayer, seit 1986 auch Chefredakteur des Aktuellen Dienstes, ließ auch Rivalen wie Robert Hochner und Josef Broukal hochkommen, was für alle Beteiligten nicht ganz einfach war, da jeder unter dem Druck stand, wer beim Publikum (vor allem mittels ROMY) zum beliebtesten Moderator erklärt würde. Und Popularität zählt in diesem Gewerbe zum wichtigsten Kapital.
Die erste ZiB 2
Am 3. Februar 1975 lief zum ersten Mal die als Newsshow konzipierte Zeit im Bild 2, die das Infotainment – eine Mischung aus Information und Unterhaltung – nach Österreich brachte. Die ZiB 2-Moderatoren mussten und müssen über besondere Interviewqualitäten verfügen. Robert Hochner, Dieter Seefranz und Günther Ziesel waren die Ersten, es folgten Ursula Stenzel und Ingrid Thurnher, heute sind es Armin Wolf, Martin Thür und Margit Laufer.
Der Beruf des Moderators ist natürlich keine Erfindung des ORF. Der erste „Anchorman“ (Ankermann) war der Amerikaner Walter Cronkite, der von 1962 bis 1981 täglich einem 30 Millionen-Publikum die CBS Evening News präsentierte. „Onkel Walter“, wie sie ihn nannten, genoss bei seinen Zusehern mehr Vertrauen und Glaubwürdigkeit als die meisten Präsidenten „seiner“ Amtszeit.
Der Tod John F. Kennedys
Cronkite wurde weltberühmt, als er am 22. November 1963 nach den Schüssen von Dallas Emotionen zeigte und live unter Tränen den Tod John F. Kennedys verkündete. Nach seinem Abschied von den Evening News übertrug Cronkite 24 Jahre lang das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker in die USA. Er starb 2009 mit 92 Jahren.
Österreichs erster Anchorman war natürlich der im Vorjahr verstorbene langjährige Chefkommentator des ORF, Hugo Portisch.
„Mr. Zeit im Bild“
1992 traf es den „Mr. Zeit im Bild“ Horst Friedrich Mayer hart, als er von Gerd Bacher aufgefordert wurde, sich vom Bildschirm zurückzuziehen, weil man – so die Begründung – „nicht gleichzeitig Moderator und Chefredakteur“ sein könne. Doch der nächste Generalintendant Gerhard Zeiler holte „HFM“ zwei Jahre später als Chefmoderator und „wichtigste Waffe gegen die private Konkurrenz“ auf den Bildschirm zurück.
Nicht wenige Moderatorinnen konnten nach ihrer Bildschirmkarriere beruflich noch einmal durchstarten: Danielle Spera als Direktorin des Jüdischen Museums, Ursula Stenzel, Eugen Freund und Josef Broukal in der Politik, Ingrid Thurnher ist Radiodirektorin, Lou Lorenz-Dittlbacher Chefredakteurin von ORF III. Und Günther Ziesel brachte es bis zum Intendanten des ORF-Landesstudios Steiermark.
„Alte Fernsehleute sterben nicht, sie werden höchstens ausgeblendet“, sagte Horst Friedrich Mayer, als er am Silvesterabend 1997 seine letzte Zeit im Bild moderierte und die Sendung – nicht ganz freiwillig – für immer verließ. Inzwischen ist auch er (2003 mit 66 Jahren) wie viele andere Sprecherinnen und Moderatoren der ersten Stunde dahingegangen.
Mit Günther Ziesel starb jetzt einer der letzten, die aus den Pioniertagen der „guten, alten Zeit“ (im Bild) geblieben waren.
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