Die Prominentengräber von Döbling
Fast ist man geneigt zu sagen: Hier lässt sich’s leben, so nobel sind die marmornen Gruften und Gräber am Döblinger Friedhof, auf dem jede Menge Prominenz bestattet wurde. Darunter ein ehemaliger Bundespräsident, ein Burgtheaterdirektor, berühmte Schauspieler, Ärzte, ein Maler und Theodor Herzl, der „Vater“ des Staates Israel.
Doch so einfach ist die Sache nicht. Theodor Herzl ist 1904 mit nur 44 Jahren in einem Hotelzimmer in Edlach an der Rax einem Herzschlag erlegen.
Er wurde drei Tage später hier, am Döblinger Friedhof, beerdigt, fand seine letzte Ruhe aber auf dem nach ihm benannten Herzlberg in Jerusalem, wohin seine sterblichen Überreste im Jahr 1949, nach Gründung des Staates Israel, überführt wurden. Der ursprüngliche Grabstein steht jedoch nach wie vor am Döblinger Friedhof.
In der Präsidentengruft am Zentralfriedhof zu ruhen, ist den Staatsoberhäuptern der Zweiten Republik vorbehalten. Wilhelm Miklas, von 1928 bis 1938 der erste Mann im Staat, fand seinen Frieden jedoch in Döbling. In den Geschichtsbüchern nimmt er eine zwiespältige Rolle ein, weil er einerseits „Hitlers Marionette“ Arthur Seyß-Inquart zum Bundeskanzler ernannte, sich aber andererseits weigerte das „Anschlussgesetz“ der Nationalsozialisten zu unterzeichnen. Der ehemalige Gymnasialdirektor starb 1956 mit 83 Jahren.
Der 1991 verstorbene und ebenfalls in Döbling begrabene Kurt Sowinetz bleibt als Schauspieler und Wienerliedsänger unvergessen. Mit dem Tod hat er sich schon zu Lebzeiten beschäftigt, etwa als er in dem Lied „Himmel, Fegefeuer, Höll“ seine Vorstellung vom Himmelreich besang:
A Wiatshaus, des die Ewigkeit net zuaspead,
A Tröpferlbad, wos Bia im Preis dazuaghead,
A fesche Kotz, des haaßt, a resche Wienerin,
A Wohnung in Koteesch, nua mit Bedienerin,
A Auto, wosd an umscheibst ohne Schepperer,
A scheene Leich, mit Schnops und Pomfineberer,
A Fremda, dea aufs Weana Schmähfian steht,
A Amt, wo ausnahmsweis die Heh knian geht…
Josef Kainz galt im frühen 20. Jahrhundert als größter Schauspieler deutscher Zunge. Doch sein Leben war kurz, und der Arzt verschwieg ihm bei seiner letzten Untersuchung, dass er dem Tode geweiht war. Der Mediziner kniff die Augen zusammen und rief ein unhörbares „Oh Gott“ aus. Da war dem 52-jährigen Burgtheaterstar klar, dass sich sein Leben dem Ende zuneigte, denn einem großen Menschendarsteller wie Kainz konnte man nichts vorspielen.
Seine letzten Tage verbrachte Kainz im September 1910 im Sanatorium Löw in der Mariannengasse. Dutzende Journalisten fanden sich dort ein und warteten förmlich auf den Tod des Verehrten. Der Chefredakteur der Neuen Freien Presse hatte dem Reporter Adalbert Felsenburg mit fristloser Entlassung gedroht, sollte ein anderer Journalist die Nachricht von Kainz’ Tod früher melden als er.
Auf dem Friedhof in Döbling, dem Nobelbezirk am Stadtrand von Wien, sind auch der Maler Wolfgang Hutter und die Schauspieler Richard Eybner, Heinz Moog, Kurt Heintel und Susi Nicoletti begraben. Die Nicoletti hatte noch mit 74 Jahren Aufsehen erregt, als sie das Burgtheater aus Protest gegen Claus Peymann verließ. Sie starb 2005 mit 86 Jahren nach einer Herzoperation im Wiener AKH.
Ihr Mann Ernst Haeusserman hatte bereits 20 Jahre vor ihr die letzte Ruhe gefunden. Als der für seine Schlagfertigkeit bekannte Ex-Burgtheaterdirektor Haeusserman 1983 am Begräbnis des Salzburger Festspielpräsidenten Josef Kaut teilnahm, rief der Priester die Trauergemeinde dazu auf, „auch für denjenigen zu beten, den Gott als Nächsten zu sich berufen werde“.
„Und bei diesen Worten“, scherzte Haeusserman, „hat mich der Pfarrer so eigenartig angeschaut.“
Es war nur eine seiner vielen Pointen, doch ein Jahr später war er tot. Haeusserman war tatsächlich „als Nächster abberufen“ worden. Mittlerweile sind er und Susi Nicoletti im Döblinger Familiengrab beigesetzt.
Berühmte Ärzte
Während die Ehrengräber am Zentralfriedhof einander benachbart gereiht und daher relativ leicht zu finden sind, muss man sich in Döbling auf die Suche begeben. Glücklicherweise kennt der 72-jährige Jurist Franz Luger sogar die verstecktesten Grabstellen. Ohne den leidenschaftlichen Friedhofsbesucher hätte ich manche hier beschriebene Ruhestätte nicht gefunden.
So auch die Gräber des prominenten Unfallchirurgen Lorenz Böhler und des Internisten Karl Fellinger. Der als „Arzt der Könige“ bekannte Fellinger zählte König Ibn Saud von Saudiarabien und den Schah von Persien zu seinen Patienten, denen er einen ebenso effizienten wie eigenwilligen Rat erteilte. Auf die Frage, wie man leben müsse, um alt zu werden und dabei gesund zu bleiben, sagte der Professor: „Kirchen von innen, Gasthäuser von außen, Berge von unten.“
Er selbst richtete sich offenbar danach, und das mit Erfolg. Denn Fellinger ordinierte mit über 90 Jahren noch in dem von ihm geleiteten Rudolfinerhaus. Dort ist er im November 2000, fast 97 Jahre alt, gestorben.
Ursprünglich waren auch Johann Strauss Vater und Josef Lanner, die Schöpfer des Wiener Walzers, am Döblinger Friedhof begraben. Der lag damals aber nicht an seinem heutigen Platz in der Hartäckerstraße, sondern ein paar 100 Meter entfernt, in der Grinzinger Allee. Die erbitterten Konkurrenten Strauss-Lanner wurden nur 45 bzw. 42 Jahre alt. Ihre sterblichen Überreste wurden 1904 exhumiert und in Ehrengräbern am Zentralfriedhof bestattet.
An ihre einstigen Gräber am alten Döblinger Friedhof erinnert heute der Strauß-Lanner-Park mit Denkmälern der beiden Musikgenies.