Wenn sich Patienten beim Kassenarzt daneben benehmen
Der Ärztemangel hat viele Facetten – eine zeigt sich dieser Tage in Hornstein und Wimpassing an der Leitha. Einer der beiden Allgemeinmediziner in Hornstein hat seit 1. Oktober nur noch mit mehreren kleinen Kassen Verträge (u. a. für öffentlich Bedienstete oder Bauern), das Gros der bei der Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) Versicherten kann ihn nur noch als Wahlarzt in Anspruch nehmen.
Für den zweiten Praktiker in der 3.000-Einwohner-Gemeinde, Johannes Reisner, bedeutet das über Nacht einen sprunghaften Anstieg der Patientenzahlen. Der 63-Jährige rechnet im Quartal mit 500 bis 1.000 Patienten zusätzlich, zumal er die Zweitordination in der Nachbargemeinde Wimpassing nun ebenfalls alleine bespielen muss.
Am Donnerstag erreichte der KURIER Dr. Reisner in einer kurzen Pause. Der Arbeitstag habe um sieben Uhr früh begonnen und ende wohl erst gegen acht Uhr abends, erzählt der als besonders empathisch geltende Mediziner. Er fürchtet, dass der stetig steigende Zeitdruck den Weg von der „Zuwendungs- zur „Abwendungsmedizin“ bereitet.
Kot-Schmiererei
Reisner will aber kein Fließbandmediziner sein und ärgert sich deshalb umso mehr, dass Patienten mitunter aggressiv werden, wenn sie ein paar Minuten länger warten müssen als die üblichen 10 bis 30 Minuten. Ein bizarrer Auswuchs dieser Entwicklung: Ein Patient habe sich aus Protest in der Ordinationstoilette neben der Kloschüssel erleichtert und seinen Kot verschmiert. „Ich bin Arzt mit Leib und Seele“, bekennt Reisner, aber die Grenzüberschreitungen machten ihm Sorgen. Dass die Aggressivität unter Patienten zunehme, berichten „Ärzte immer wieder“, weiß man in der Burgenländischen Ärztekammer, genaue Zahlen gibt es aber nicht.
Ausschreibungen ohne Bewerber
Genau Buch geführt wird in der Kammer aber über die offenen Stellen für Allgemeinmediziner: Neben Hornstein (und der Zweitordination in Wimpassing) sind auch in Güssing, Oberwart, Schlaining und Oberpullendorf Stellen vakant, meist waren schon mehrere Ausschreibungen erfolglos. Warum es selbst für größere Gemeinden des Landes so schwierig ist, Ärzte zu finden? In Nachbarbundesländern seien Bezahlung und Rahmenbedingungen für Mediziner attraktiver, glaubt man in der Kammer.
In Hornstein und Wimpassing versuchen die Bürgermeister zu helfen. Dr. Reisner hat aus dem Personalstand des Rathauses für 25 Wochenstunden eine Sprechstundenhilfe zur Verfügung und ÖVP-Bürgermeister Christoph Wolf stellt ansiedlungswilligen Medizinern finanzielle Unterstützung durch die Kommune in Aussicht. Wolfs SPÖ-Kollege Ernst Edelmann möchte in Wimpassing eine Wundversorgung einrichten, um Reisner zu entlasten. Edelmann: „Unsere Gemeinde hat 1.700 Einwohner, wir bräuchten längst einen eigenen Arzt, aber wir kriegen keinen.“
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