Was vom burgenländischen Brutalismus bleibt

Was vom burgenländischen Brutalismus bleibt
Matthias Szauer und Herwig Udo Graf bauten Kulturzentren (im Bild Mattersburg), Krankenhäuser, Banken und Schulen. Die Forschung würdigt ihr Werk mittlerweile, dennoch werden ihre Gebäude bis heute abgerissen

Dass bloß einige Mauern seines Kulturzentrums in Mattersburg „als Potemkinsches Dorf stehen bleiben“ bezeichnete Architekt Herwig Udo Graf als „Lachnummer“. 

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Sein um fünf Jahre älterer Kollege Matthias Szauer, dem beim gemeinsam mit Gottfried Fickl Ende der 1960-er Jahre geplanten Haydnkonservatorium in Eisenstadt ähnliches widerfuhr, reagierte milder – oder resignativer – aufs Verschwinden seiner Bauten.

Der aus Nikitsch (Filež) stammende Burgenlandkroate Szauer (1935-2022) und der Mattersburger Graf (1940-2023) waren von Mitte der 1960-er bis Anfang der 1980-er Jahre die prägenden Architekten im Burgenland.

Am Beginn stand 1965 ein vom Land fürs Haydnkonservatorium ausgelobter Wettbewerb, den Szauer vor Graf gewann. Vorsitzender der Jury ist kein Geringerer als Roland Rainer. Beim Konservatorium handelt sich um den „ersten Sichtbetonbau“ im Burgenland, schreiben Johann Gallis, Albert Kirchengast und Stefan Tenhalter in ihrer Bestandsaufnahme der „Nachkriegsmoderne im Burgenland“.

Damit war die Richtung vorgegeben. Stilistisch orientieren sich beide Architekten unabhängig voneinander an der „international aktuellen Tendenz des Brutalismus“, den sie ins Pannonische transponieren. Plastische Durchbildung der meist öffentlichen Bauten, wuchtige Attiken, opulente Wasserspeier und markante Vordächer werden zu typischen Elementen des „Burgenlandstils“.

Szauer wie Graf starten ihre Karriere, als sich im Armenhaus Österreichs ein fundamentaler politischer Wandel von der agrarisch geprägten Volkspartei zur sich fortschrittlich gebenden SPÖ unter Theodor Kery vollzieht. Seinen sichtbarsten Ausdruck findet dieser Wandel im Bau der österreichweit einzigartigen Kulturzentren im ländlichen Raum – beginnend in den Jahren 1973 bis 1976 in Mattersburg bis 1982 in Oberschützen.

 

Was vom burgenländischen Brutalismus bleibt

Das aus den 1980-er stammende Krankenhaus Oberwart soll abgerissen werden. Daneben wurde ein neues Spital gebaut, das im Mai eröffnet werden soll

Als dem roten Modernisierungsversprechen ab Mitte der 1980-er Jahre immer weniger Glauben geschenkt wird, wandelt sich auch der Blick auf die gebaute burgenländischen Identität. Die brutalistischen Bauten geraten in Verruf. Die Gründung des Architekturraum Burgenland (ARB) 1993 kann auch als Abkehr vom Brutalismus verstanden werden. Dieser, so lautete die Kritik, sprenge den Maßstab des Dorfes.

Abrissbirne

Mit dem Abstand von Jahrzehnten wird der Brutalismus heute differenziert betrachtet: „Ich halte den Brutalismus für einen wertvollen Architekturstil“, sagt ARB-Kurator Nikolaus Gartner. Dass Bauwerke dieser Ära unsanierbar seien und deshalb abgerissen werden müssten, weisen Gartner und Johann Gallis, der seine Masterarbeit an der TU Wien über Szauer und Graf verfasst hat, entschieden zurück. „Wir haben verlernt, mit Altbestand umzugehen“, meint Gartner.

Was vom burgenländischen Brutalismus bleibt

Graf gestaltete auch Innenräume, hier seine Privatwohnung in Oberwart. Auch der Landtagssitzungssaal in Eisenstadt stammt aus Grafs Feder

Das Land und private Bauträger sehen das nach wie vor anders. Mittlerweile hat das Bundesdenkmalamt aber einige Bauten unter Schutz gestellt, beim KUZ Oberschützen von Graf läuft ein Unterschutzstellungsverfahren. 

Kurios, dass gerade unter Kerys roten Nachfolgern zentrale Bauten des burgenländischen „Aufholprozesses“ abgerissen oder bis zur Unkenntlichkeit umgebaut wurden – und werden. 

Am Freitag endete übrigens die Frist für Angebote zum „Rückbaukonzept Abbruch A. Ö. Krankenhaus Oberwart“ – ein Szauer-Bau. 

Auftraggeber ist die Spitalsholding des Landes.

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