Security: Suche nach Dieben ist unerwünscht
Schuhe, Kleider, Accessoires – die Waren werden in mehr als 70 Shops, einer neben dem anderen, feilgeboten. Das Fashion Outlet im nordburgenländischen Parndorf ist bei Schnäppchenjägern aus dem In- und Ausland ein begehrtes Pflaster. Jährlich besuchen Zigtausende das Shoppingparadies in der Nähe des Neusiedler Sees. Doch nicht alle Besucher sind ehrlich. Jetzt lässt ein ehemaliger Security-Mitarbeiter mit scharfer Kritik aufhorchen. Seinen Namen möchte er lieber nicht in der Zeitung lesen – "zur Sicherheit".
Laut einem Schreiben, das dem KURIER vorliegt, und das in Absprache mit dem Center-Management verfasst worden sein soll, werden die Security-Mitarbeiter angehalten, "keine aktive Diebessuche mehr zu betreiben" (siehe Faksimile). "Wir sollten nur mehr agieren, wenn wir von einem Shop gerufen werden", erklärt der frühere Mitarbeiter. Den Grund für die Maßnahme sieht er in einem befürchteten "Image-Schaden" für die Unternehmen.
"Es ist nicht unsere Aufgabe wegzuschauen, wenn kriminelle Handlungen passieren. Dazu sind wir doch nicht ausgebildet worden", sagt der frühere Mitarbeiter. Nach langjähriger Tätigkeit in dem Center hat er vor Kurzem aus eigenen Stücken den Dienst quittiert.
Aus dem Center-Management will man zu dem Schreiben bzw. zu der Kritik des ehemaligen Mitarbeiters keine Stellungnahme abgeben. Da in dem Schreiben "weder Adressat noch Datum" ersichtlich seien, können man den geschilderten Sachverhalt "nicht näher verifizieren".
Wie Andreas Schweitzer – Sprecher der Berufsdetektive in der Wirtschaftskammer Burgenland – aus eigener Erfahrung wisse, sei 2017 wie bereits in den Jahren davor die Zahl der Laden- und Taschendiebstähle generell gestiegen. Das organisierte Stehlen nehme zu, die Kriminellen würden vermehrt in größeren Gruppen zuschlagen. Umso wichtiger sei es deshalb, dem Thema Sicherheit einen hohen Stellenwert einzuräumen. Für ihn – Schweitzer ist auch als Anwalt tätig ist – sei es nichtnachvollziehbar und rechtlich fragwürdig, bei Ladendiebstahl wegzuschauen.
Strafbar
"Die Aufgabe der Securitys ist es einzuschreiten, wenn ihnen etwas auffällt. Vogel-Strauß-Politik ist da der falsche Weg." Mache der Security-Mitarbeiter die Beobachtung, dass jemand etwas mitgehen lasse und er reagiere nicht, mache er sich strafbar. "Das wäre Begehung durch Unterlassung", führt der Jurist aus.
Schweitzer ist selbst im McArthurGlen Designer Outlet Parndorf, dem Nachbar des Fashion Outlet, als Detektiv tätig. "Da haben wir eine gute Zusammenarbeit mit der Center-Security." Das wird auch vonveiten des McArthurGlen Designer Outlet bestätigt: In enger Abstimmung auch mit der Polizei werde "geplant, abgestimmt und umgesetzt – an jedem Shoppingtag". Aufgrund dieser Maßnahmen gebe es eine hohe Aufklärungsquote.
Etwa 700 Millionen Euro beträgt laut Wirtschaftskammer Österreich der Schaden durch Ladendiebstahl, Insider gehen von einem noch höheren Betrag aus (siehe auch Zusatzbericht). Täter seien vor allem organisierte, ausländische Banden, heißt es von der Polizei im Burgenland. Der Grund: Nach dem Coup sei man rasch über der Grenze. Das Motiv für die Ladendiebe sieht Schweitzer vor allem in der Gewerbsmäßigkeit. Was er bemerke ist, dass auch die Brutalität der Diebe zunehme. Erst vor Kurzem wurde er bei einem Einsatz verletzt.
Notfallknopf
Im Salzburger Outletcenter beschäftigen die Betreiber ebenfalls einen privaten Sicherheitsdienst, der bei Ladendiebstählen über einen Notfallknopf von den einzelnen Geschäften angefordert werden kann. Vertriebsleiterin Isabella Dietel-Curtis spricht von einer "prozentual sehr geringen Quote" bei Diebstählen – weil Sicherheitsleute im Gebäude patrouillieren. "Wir haben auch mit der lokalen Polizei eine sehr enge Verbindung."
Grundsätzlich sei es jedenfalls nicht Aufgabe des Sicherheitsdienstes, nach Ladendieben Ausschau zu halten. "Das sind keine Kaufhausdetektive", stellt Dietel-Curtis klar. Eine explizite Anweisung, nicht nach Dieben zu suchen wie im Fashion Outlet in Parndorf, gäbe es aber nicht.
Ladendiebstähle kosten die betroffenen Händler nicht nur Nerven, sondern auch Geld. Die Wirtschaftskammer geht in Österreich von einer Schadenssumme aus, die in etwa einem Prozent des Umsatzes entspricht – jährlich bis zu 700 Millionen Euro, sagt Roman Seeliger, stellvertretender Geschäftsführer der Bundessparte Handel.
"Das ist eine Größenordnung, die ungefähr bei 40 bis 50 Prozent des Gewinns liegt", sagt Seeliger. Der entstandene Schaden dürfe daher nicht bagatellisiert werden, auch wenn in Österreich gemessen am Gesamtumsatz im Vergleich zu anderen europäischen Staaten verhältnismäßig wenig gestohlen werde.
In der Gunst der Diebe steht laut Seeliger weit oben, was möglichst teuer, klein oder ungesichert in den Läden liegt. Klassiker seien Kosmetikartikel wie Lippenstifte, Rasierklingen und Kondome. Bei Letzteren vermutet der Experte, dass gerade auf dem Land das Schamgefühl eine Rolle spiele.
Mitarbeiter schulen
Als wichtigste Maßnahme, um es Ladendieben schwer zu machen, nennt Seeliger eine entsprechende Schulung der Angestellten. "Wenn Mitarbeiter die Leute ansprechen und ihre Hilfe anbieten, ist es für einen unehrlichen Kunden unangenehm, weil er seine Anonymität verliert.
Versuche mit Testdieben haben gezeigt, dass so 50 Prozent der Ladendiebstähle verhindert werden können." Auch bei der Gestaltung der Verkaufsräume könnten Unternehmer vorbeugen, indem sie zum Beispiel "tote Ecken" vermeiden, die nicht einsehbar sind.
Gut beraten wären Händler, wenn sich ihre Mitarbeiter untereinander auch auf die Finger schauen würden: Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 20 Prozent der Ladendiebstähle von Angestellten verübt werden – siehe Grafik rechts. Für mehr als die Hälfte seien demnach "Kunden" verantwortlich. Lieferanten- und Fremdpersonal würden hingegen "nur" sieben Prozent der Diebstähle verursachen.
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