Notarzthubschrauber Nordburgenland: Vergabeverfahren voller Mängel

Notarzthubschrauber Nordburgenland: Vergabeverfahren voller Mängel
Die Suche des Landes nach einem Betreiber für einen neuen Heli-Stützpunkt im Bezirk Neusiedl war von A bis Z "problembehaftet", urteilt der Landesrechnungshof in einem knapp 100-seitigen Bericht

René Wenk war als Landesrechnungshofdirektor gar noch nicht im Amt, als er von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil im Sommer 2022 einen Prüfauftrag mit auf den Weg bekam. Der Landesrechnungshof (BLRh) solle das Vergabeverfahren für den Notarzthubschrauber prüfen, kündigte Doskozil im Landtag an. 

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Jetzt liegt das Ergebnis vor und Doskozil kann keine Freude damit haben. 

"Das Vergabeverfahren war problembehaftet", sagte Wenk am Mittwoch an der Seite seines Stellvertreters und Prüfungsleiters Alexander Meusburger. Die Prüfer hätten "viele Mängel bei Dokumentation und Nachvollziehbarkeit festgestellt", gerade diese Bereiche seien bei öffentlichen Vergaben grundlegend.

Worum geht es? Im Februar 2022 hat das Land den gemeinsamen Betrieb für zwei Standorte ausgeschrieben. Für den Landessüden, wo der ÖAMTC seit 2006 einen Stützpunkt in Oberwart betreibt, und erstmals für den Landesnorden, wo Anfang 2023 ein neuer Stützpunkt in Betrieb gehen sollte. Das Land erteilte Roy Knaus den Zuschlag, der ÖAMTC zog dagegen vor Gericht und bekam recht. Die Verträge des Landes mit dem ÖAMTC für beide Stützpunkte laufen bis 2031. 

Warten auf Stützpunkt

Das Land hat für beide Standorte gemeinsam maximal 2,2 Millionen Euro jährlich budgetiert.

Der Stützpunkt im Bezirk Neusiedl am See fehlt bis heute. Das Nordburgenland wird - wie schon in den vergangenen vier Jahrzehnten - von Wiener Neustadt aus mitversorgt.

Notarzthubschrauber Nordburgenland: Vergabeverfahren voller Mängel

Premiere: Landesrechnungshofdirektor Wenk (li.) und Vize Meusburger luden ob der "Komplexität" der Causa zur Präsentation eines Prüfberichts

Auf knapp 100 Seiten listet der BLRh eine Menge an Unzulänglichkeiten des Landes auf, das trotz der Beiziehung von externen Experten und einer Jury nicht von der Verantwortung für ein ordentliches Verfahren entbunden sei. Die Kosten fürs gesamte Verfahren inklusive Expertenhonorar liegen bei 70.500 Euro.

Die Mängelliste beginnt schon damit, dass die "Landesregierung vor der Aufnahme der Tätigkeiten im Rahmen des Vergabeverfahrens keinen Beschluss fasste". Die Errichtung des zweiten Notarzthubschrauberstandortes im Norden fußte zunächst nur auf "einer unverbindlichen politischen Willenserklärung im Regierungsprogramm". Somit mangelte es laut Prüfern "vorab an einer nachvollziehbaren Feststellung des Bedarfs an einem zweiten Standort (neben Oberwart) sowie einer Abschätzung sämtlicher finanzieller Auswirkungen".

Apropos finanzielle Auswirkungen: Ob überhaupt ein zwingender Bedarf für einen zweiten Heli-Stützpunkt im Landesnorden besteht, habe das Land nicht erhoben. "Entsprechende statistische Analysen bzw. Auswertungen waren im Vergabeakt nicht enthalten", stellen die Prüfer trocken fest. 

Land sollte Alternativen prüfen

Dass das keine unwesentliche Fleißaufgabe gewesen wäre, macht ein Blick auf die Kosten klar. Bisher zahlt das Land für den in Wiener Neustadt stationierten ÖAMTC-Helikopter jährlich rund 75.000 Euro für die Mitversorgung des Burgenlandes. Für den neuen im Nordburgenland stationierten Hubschrauber hat das Land aber eine Million Euro pro Jahr veranschlagt.

 

Zumal etwa bei einem künftigen Heli-Stützpunkt in Gols (dort soll bis 2030 ein neues Spital gebaut werden) bei einem Radius von 50 Kilometer nur rund 21,6 Prozent des Einsatzgebietes im Burgenland lägen, aber 57 Prozent in Ungarn und der Slowakei. Der Rechnungshof empfiehlt daher "eine länderübergreifende Nutzung zu prüfen. Dies könnte zu "einer Kostensenkung führen ohne dabei die notärztliche Versorgungsqualität für die burgenländische Bevölkerung zu mindern, insbesondere in Anbetracht der bereits bestehenden Abdeckung des Burgenlands durch die Stützpunkte Oberwart, Wiener Neustadt und Wien".

Die lange Dauer des Verfahrens hängt auch an der Befassung diverser Gerichte. Das hätte sich das Land ersparen können, denn nach Ansicht des Landesrechnungshofs "wäre die Martin Flugrettung (Roy Knaus) vor der Wahl des Angebots für die Zuschlagsentscheidung auszuscheiden gewesen". Warum? Sie konnte "keinen Nachweis der luftfahrtrechtlichen Genehmigung" erbringen.

Passivität des Landes

Ob sich die Beiziehung von externen Experten somit als Schlag ins Wasser erwiesen habe, wollte der KURIER wissen? Man hätte das Verfahren sicher "besser" führen können. antwortete Wenk diplomatisch.

Abgeschlossen ist das Verfahren zwei Jahre nach Beginn immer noch nicht: Erst jüngst wurde der ins Auge gefasste Standort am Friedrichshof bei Zurndorf als nicht naturverträglich ausgeschlossen. Land und ÖAMTC Flugrettung prüfen derzeit mehrere mögliche Standorte für den Notarzthubschrauber. Der Landeshauptmann zeigte sich zuversichtlich, dass die Inbetriebnahme im Laufe dieses Jahres erfolgen kann.

Dass das Land dem Anbieter die Standortfindung überlassen hat, kritisiert Wenk als "Passivität des Landes". Der BLRH macht deutlich, dass diese noble Zurückhaltung des Landes mitverantwortlich dafür ist, dass immer noch kein Standort feststeht. 

Die Reaktionen der Parteien: ÖVP-Klubobmann Markus Ulram sprach von einer „ordentlichen Bruchlandung“ von Landeshauptmann Doskozil. Der Bericht des Landesrechnungshofes lese sich "wie ein Drehbuch für Amtsversagen“, meldete sich FPÖ-Landesgeschäftsführer Rudolf Smolej zu Wort. Es sei unklar, ob es überhaupt einen eigenen Standort brauche, so Abgeordneter Wolfgang Spitzmüller von den Grünen. Für den SPÖ-Mandatar und Golser Bürgermeister Kilian Brandstätter zeigt der Prüfbericht, dass das Vergabeverfahren "korrekt abgewickelt wurde".

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