Lokalaugenschein: So geht es den Flüchtlingen am Grenzübergang Nickelsdorf
„Erfassungsdienststelle“ nennt sich das erste Gebäude, das ukrainische Kriegsvertriebene auf österreichischem Boden betreten – vorausgesetzt, sie kommen über die ungarische Autobahn ins Land und haben vor, hier zu bleiben.
In Nickelsdorf ist diese Dienststelle in einer Containerhalle untergebracht. Sie steht seit 2015 an der österreichisch-ungarischen Grenze und wurde damals als Registrierungsstelle für massenhafte Flüchtlingsbewegungen konzipiert.
Rainer Erhart, Leiter der burgenländischen Fremden- und Grenzpolizei, nennt Nickelsdorf noch immer einen „Brennpunkt der Migration“. 2022 stellt sich allerdings ein gänzlich anderes Bild als 2015 dar. Die Situation erinnert eher an reguläre Grenzkontrollen aus früheren Zeiten: Jedes Fahrzeug wird überprüft. Zur Datenerfassung werden nur jene ukrainischen Staatsbürger gebeten, die angeben, in Österreich bleiben zu wollen. Wer auf der Durchreise ist, darf die Fahrt in das Zielland ohne Registrierung in Österreich fortsetzen.
Das Prozedere der Erfassung dauert nur wenige Minuten: Zuerst muss ein Personen-Datenblatt ausgefüllt werden, danach wird der Reisepass gescannt und biometrische Daten (Fingerabdrücke) werden erfasst. Zu guter Letzt wird auch gleich ein Foto für den neuen Ausweis für ukrainische Kriegsvertriebene geknipst.
40 Polizeibeamte arbeiten in der neuen Erfassungsdienststelle, sie ist 24 Stunden am Tag besetzt. „Es sind junge, motivierte Beamte, auf die ich sehr stolz bin“, sagt Chefinspektor Johannes Ganster, Kommandant der Dienststelle.
Ihr Arbeitsaufwand variiert je nach Tageszeit – just beim Medientermin am Donnerstagmorgen waren keine „Kundschaft“ vor Ort. 150 bis 200 Kriegsvertriebene seien es laut Chefinspektor Ganster aber doch, die hier täglich erfasst werden.
85 Prozent Frauen und Kinder
Verglichen mit jenen Asylwerbern, die vor dem Ukrainekrieg vorwiegend in Nickelsdorf eingetroffenen sind, handle es sich bei den Ukrainern um ein „ganz anderes Publikum“, erklärt der Grenzpolizist. Das zeige sich schon alleine an der demografischen Zusammensetzung: Habe es sich bei den Geflüchteten aus dem Nahen Osten zu einem großen Teil um junge Männer gehandelt, seien nur rund 15 Prozent der Ukraine-Vertriebenen männlich – und meist im nicht-wehrfähigen Alter.
45 Prozent der Geflüchteten sind Frauen, 40 Prozent Kinder. Dolmetscher brauche man in den meisten Fällen nicht. Die Ukrainer seien sehr gebildet, berichten die Polizeibeamten - man könne sich in der Regel gut auf Englisch verständigen.
Bis einschließlich Mittwoch sind 1.800 ukrainische Staatsbürger mit dem Auto im Burgenland eingetroffen. 400 wollen in Österreich bleiben. Die meisten wissen bereits, wo sie wohnen können. Andernfalls wird ein Quartier organisiert. „Wenn Personen hier landen, die keine Unterkunft haben, beschaffen wir ihnen die Möglichkeit über die Bundes- Betreuungsagentur sofort ein Quartier zu besorgen“, sagt Chefinspektor Ganster.
Bei der Dienststelle in Nickelsdorf handelt es sich um nur einen von insgesamt 15 Standorten entlang der langen burgenländischen Staatsgrenze mit der Slowakei und Ungarn, an denen die Daten von Kriegsflüchtlingen erfasst werden. Die Polizei ist auch mit vier mobilen Teams unterwegs, die mit der erforderlichen Technik ausgestattet sind.
Staatsdruckerei produziert Ausweise
Martin Volz, Leiter der Regionaldirektion Burgenland im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, kündigte am Donnerstag in Nickelsdorf an, dass die Ausweise für ukrainische Kriegsvertriebene in Kürze ausgestellt werden sollen. Im Gegensatz zur blauen Karte, die Asyl auf Zeit gewährt, komme diese neue, rosa-blau-rosafarbene Karte einem Aufenthaltstitel gleich, erklärte Volz.
Die Ausweise werden von der Österreichischen Staatsdruckerei mit speziellen Sicherheitsmerkmalen produziert. Anspruch auf die rosa-blau-rosa Karte haben alle ukrainischen Staatsbürger, die das Land nach dem 24. Februar verlassen mussten, ebenso wie jene, die dort einen Schutzberechtigten-Status hatten oder Ukrainer, die mit einem Drittstaatsangehörigen eine Familie gegründet haben, wenn dies bereits in der Ukraine erfolgte.
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