"Nicht so tun, als ob nichts wäre"

SPÖ-Landesrätin Eisenkopf muss sich gegen Vorwürfe wehren, die gegen einen Mann mit einer kranken Frau daheim wohl nie erhoben würden
Der Landesrätin wird vorgehalten, sie sei zu wenig für ihren kranken Mann da.

Wäre Politik das ganze Leben, hätte 2016 für Astrid Eisenkopf kaum besser laufen können. Die mit 32 Jahren jüngste Landesrätin Österreichs hat das wohl wichtigste Gesetz des vergangenen Jahres mit ruhiger Hand ausverhandelt. Das Gemeinderechtspaket bringt mehr Geld für Bürgermeister, mehr Mitbestimmung für kleine Fraktionen und einen zweiten Wahltag bei der Kommunalwahl im Oktober. In 100 Verhandlungsstunden hat es die verbindliche statt verbissene rote Ressortchefin geschafft, die Opposition an Bord zu holen, sogar die zunächst äußerst skeptische Volkspartei hat letztlich zugestimmt. Ein politisches Meisterstück, für das die Wirtschaftsakademikerin allerorten Schulterklopfen erntete.

Dass Landeshauptmann Hans Niessl, der die bis dahin politisch völlig unbekannte Landesbedienstete 2015 in die rot-blaue Regierung holte, die nunmehrige Landesrätin für Gemeinden, Umweltschutz und Jugend gleich hinter Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil nennt, wenn er über die neuen Köpfe in der SPÖ spricht, zeigt: Die Newcomerin hat sich etabliert und gilt als rote Personalreserve.

"Suderanten"

Das ruft naturgemäß nicht nur Schulterklopfer, sondern auch Neider auf den Plan. Das wäre weder verwunderlich noch verwerflich, hätten die "Suderanten" nur die Politikerin Eisenkopf im Visier. Aber die Nadelstiche treffen zielsicher ins Private.

Dass sich die Landesrätin nun dazu äußert, sei eine "Gratwanderung", räumt sie im KURIER-Gespräch ein. Und man sieht ihr dabei an, wie sie selbst bei jedem Schritt auf diesem Grat zögert und mit sich ringt.

Das ist nur zu verständlich. Denn jetzt geht es ums ganze Leben.

Astrid Eisenkopfs Mann Simon hat Krebs. Im Dezember 2014 wurde eine Form von Lungenkrebs diagnostiziert, die nicht unmittelbar mit dem Rauchen assoziiert ist. Die Behandlung lief gut, ehe die Ärzte heuer im März Metastasen im Rückenmark fanden. Der Pancoast-Tumor schränkt auch die Motorik ein, weshalb der 44-Jährige seinen früheren Job derzeit nicht ausüben kann. Im überschaubaren politischen Biotop des Burgenlandes ist all das kein Geheimnis – Astrid Eisenkopf wollte auch nie eines daraus machen, denn: "Das ist zwar eine private Angelegenheit, aber ich kann und will in der Öffentlichkeit nicht so tun, als ob nichts wäre." Und Politik spielt sich nun einmal großteils in der Öffentlichkeit ab.

Dort begegnet die Ressortchefin vielen Menschen, die sich aufrichtig interessiert nach dem Zustand ihres Mannes erkundigen. Aber auch einer Minderheit, die ihr mehr oder weniger subtil den Vorwurf macht, sie wäre herzlos. Der Tenor der meist verklausulierten Kommentare: Sie sollte lieber daheim bei ihrem Mann sein, statt sich lächelnd fotografieren zu lassen. Seit etwa einem halben Jahr registriert Eisenkopf diese "Botschaften" – seit der Krebs bei ihrem Mann zurückgekehrt ist.

Ausdiskutiert

"Mein Mann und ich haben die Frage ausdiskutiert", erzählt die Landesrätin und beide hätten gemeinsam entschieden, dass sie ihren Job unbedingt weitermachen soll – zu hundert Prozent. Trotzdem stehe sie ihrem Mann nicht nur in jeder freien Minute bei, sondern habe ihre Termine auch so eingerichtet, dass sie ihn zu Untersuchungen und Behandlungen ins Spital begleiten konnte. "Der Landeshauptmann unterstützt mich da, wo er nur kann", sagt Eisenkopf.

Die Kritiker mit hochgezogenen Augenbrauen kriegen davon klarerweise nichts mit – und die Arbeit in der Regierung hat offenkundig nicht unter der Belastung gelitten. Eisenkopf möchte darüber eigentlich auch nicht zu viele Worte verlieren, denn: "Das betrifft gar nicht so wenige Frauen, die auch alle zurechtkommen müssen. Keine sucht sich dieses Schicksal aus."

Und wie alle betroffenen Familien werden auch Simon und Astrid Eisenkopf "nicht aufgeben, zu kämpfen".

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