Mittelalter im Turnsaal: Die Ritter von der Sportunion

Mittelalter im Turnsaal: Die Ritter von der Sportunion
In Eisenstadt wird erstmals ein Kurs für Historisches Fechten mit dem langen Schwert angeboten.

Montagabend, kurz nach 20 Uhr. Die Ritter haben wieder den Turnsaal eingenommen. Während die letzten Teilnehmer des soeben zu Ende gegangenen Gymnastik-Kurses friedlich ihre Turnmatten zusammenrollen, werden die kriegerischen Trainingsgeräte an die sechs „Knappen“ ausgeteilt: Es handelt sich um Replikate mittelalterlicher Langschwerter aus Nylon, sogenannte „Nylonwaster“. Heute steht mittelalterliches Fechten auf dem Programm.

Der 36-jährige Draßburger Alexander Kalywas hat mit der „Langen Schneyd Burgenland“ eine Dependance des Österreichischen Fachverbandes für Historisches Fechten gegründet. 2015 hat er beim Hauptverein in Wien mit dem Schwertkämpfen begonnen. Jetzt führt er seine eigene kleine Rittergilde an.

Einmal Ritter sein

„Wer hat als Kind nicht davon geträumt, ein Ritter zu sein? Ich habe mich schon immer für Fantasy-Filme und Geschichte interessiert. Als ich nach einem Ausgleich zu meinem Bürojob gesucht habe, habe ich das historische Fechten entdeckt“, erzählt der Großhandelskaufmann von seinen Anfängen als Schwertkämpfer.

Zurück beim Training in Eisenstadt: Bevor die Ritter in Ausbildung ihre Schwerter in die Hände nehmen, sind Aufwärmübungen zu absolvieren. Der ganze Körper, vom Kopf bis zu den Zehen, wird aufgewärmt – Historisches Fechten ist ein anspruchsvoller Sport und kein filigranes Tänzeln, wie man es vom Olympischen Fechten kennt. Mit dem Zweihandschwert geht es etwas wuchtiger, wenn auch keinesfalls weniger präzise zur Sache.

Mittelalter im Turnsaal: Die Ritter von der Sportunion

Alexander Kalywas hat 2015 in Wien mit dem Sport begonnen  

„Man soll nicht zum Schwert fechten, sondern zur Blöße“, erklärt Alexander Kalywas. Dass Klinge auf Klinge trifft, wie es in Filmen oft zu sehen ist, komme in realitätsnahen Kämpfen eher selten vor. Es gilt, Huten und Hiebe einzustudieren. Das sind verschiedene Verteidigungs- und Angriffsstellungen. Die Hiebe werden im Training nur angedeutet; zugeschlagen wird ausschließlich im Turnier und dann in voller Schutzausrüstung. Die Verletzungsgefahr sei minimal, betont Kalywas: „Es ist ein Partnersport, man muss sich auf den Partner verlassen können und auf sein Gegenüber aufpassen.“

Historisches Fechten– kurz HF – verbindet die historische Aufarbeitung und Rekonstruktion europäischer Kampfkünste mit Actionsport. International spricht man auch von HEMA (Historical European Martial Arts). Der Sport umfasst das Erlernen von Kampftechniken auf Basis historischer Quellentexte bis hin zu Freikampf und Turnier

Sportlich
In Österreich lehren die meisten Vereine „Langes Schwert“ nach der „Deutschen Schule“ (12. bis 17. Jahrhundert). Es gibt eine Nationalmannschaft, 2019 wurde zuletzt die österreichische Meisterschaft ausgefochten

Mehr Infos: historischesfechten.at

Zur Selbstverteidigung eigne sich der Schwertkampf im 21. Jahrhundert nicht mehr, betont der Lehrmeister: „Das ist nicht die Intention. Es geht um den Spaß am Sport und um ein gewisses historisches Interesse.“

Spaß am Mittelalter

Bei der 29-jährigen Pia Konrad aus Eisenstadt ist das definitiv der Fall. Die Produktmanagerin ist gerne mit Freunden auf Mittelaltermärkten unterwegs und tischt zu Hause auch schon mal mittelalterliche Gerichte auf. „Ich finde, Schwertkampf gehört zum Mittelalter dazu. Der Kurs ist eine super Möglichkeit, Geschichte lebendig werden zu lassen“, erzählt die Schwertkämpferin in Ausbildung, die sich gemeinsam mit ihrem Mann zum Kurs angemeldet hat: „Wir haben schon gescherzt, dass wir unsere Diskussionen in Zukunft ausfechten werden.“

Historisches

Ständig auf der Hut sein, sich keine Blöße geben – beide Redewendungen haben ihren Ursprung im Fechten. Genau das wird im Kurs gelehrt. Als Grundlage für die Trainings dient den Eisenstädter Rittern die „Handschrift 44 A 8“. Peter von Danzig hat darin anno 1452 detaillierte Beschreibungen der Kampfkünste der „Deutschen Schule“ festgehalten. Auch im Jahr 2021 gilt dieses historische Dokument noch als Goldstandard für das Training mit dem Langschwert.

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Pia Konrad ist bereit – auch zum Duell mit ihrem Mann

Das Kämpfen in voller Ritterrüstung ist übrigens – damals wie heute – aus finanziellen Gründen eine Ausnahmeerscheinung. „Rüstung gegen Rüstung machen nur sehr wenige. Das ist in der Nischensportart nochmal eine Nische“, sagt Kalywas. Eine qualitativ hochwertige Plattenrüstung kann schon einmal einen fünfstelligen Betrag kosten. Ein gutes Trainingsschwert ist dagegen schon ab 200 Euro zu haben. Der Langschwert-Kurs mit wöchentlichen Trainings bei der Sportunion Burgenland schlägt mit 150 Euro pro Semester zu Buche.

Wer sich der Gilde der Eisenstädter Schwertkämpfer anschließen möchte, muss sich in Geduld üben. Derzeit sind alle Kursplätze vergeben. Aber 2022 werden voraussichtlich wieder neue Knappen aufgenommen. „Mein Wunsch wäre, nächstes Jahr zwei Trainingstermine pro Woche anzubieten“, kündigt Alexander Kalywas an.

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