Wie hoch sind die Mehrkosten?
Gas kostet etwa das Fünffache im Vergleich zu den Jahren davor.
Ist Fotovoltaik eine Option?
Auf unseren Dächern ist das aus statischen Gründen sehr schwierig. Im Stammwerk in Lenzing entsteht derzeit die größte Freiflächenanlage Oberösterreichs. Vielleicht können wir dieses Modell auch in Heiligenkreuz umsetzen. Was wir schon jetzt machen: 20 Prozent unserer Wärmeenergie kommen aus dem Biomassekraftwerk vor Ort.
2018 wurden 70 Millionen Euro in die Erweiterung der Produktion investiert, wann kommt der nächste Schub?
Heiligenkreuz spielt bei der Spezialfaserstrategie von Lenzing eine ganz wichtige Rolle, wir produzieren die Premiumfaser, die fast zur Gänze exportiert wird, in die Türkei, nach China und in das restliche Asien. Derzeit beträgt unser Ausstoß jährlich 80.000 Tonnen. In den kommenden Jahren werden wir an Kapazitätsgrenzen stoßen und uns natürlich um weitere Investitionen bemühen.
Dass Lenzing jüngst in Thailand das weltweit größte Lyocellwerk eröffnet hat, gefährdet Heiligenkreuz nicht?
Nein, da muss sich niemand fürchten. Die beiden Standorte stehen überhaupt nicht in Konkurrenz zueinander. Wir stellen Fasern im Premiumsegment her, die in Thailand nicht produziert werden können. Mitarbeiter von uns haben in Thailand beim Aufbau unterstützt. Viele unserer Innovationen der letzten 25 Jahre sind Bestandteil dieser Großanlagen.
Die Ansiedelung des Lyocellwerks 1997 war eines der größten Projekte im Rahmen der EU-Ziel-1-Förderungen fürs Burgenland. Würde Lenzing heute – ohne diese Förderungen – ein Werk im Südburgenland errichten?
Ich glaube nicht, dass wir heute einen neuen Standort gründen würden, aber die Idee einer Förderung ist es ja, ein junges Pflänzchen wachsen zu lassen, bis es keine Unterstützung mehr braucht. Die Förderkulisse damals war ein entscheidender Hebel, aber wir haben seither einen Vorzeigebetrieb entwickelt. Bei den 2018 investierten 70 Millionen Euro war kein einziger Cent an Förderung dabei. Wir haben heute 340 Mitarbeiter, so viele wie noch nie.
Woher kommen die Mitarbeiter?
Fast zu 100 Prozent aus der Region – dem Südburgenland und der angrenzenden Steiermark. Oft sind es frühere Pendler, die jetzt in der näheren Heimat einen guten Arbeitsplatz gefunden haben.
Sie haben keine Mitarbeiter aus dem Ausland?
Nicht einmal so viele wie Finger einer Hand. Es war bisher nicht notwendig, jenseits der Grenzen zu rekrutieren, zumal wir auch gute Sprachkenntnisse verlangen. Es brächte auch keinen finanziellen Vorteil, weil wir alle Mitarbeiter nach Kollektivvertrag entlohnen, egal woher sie kommen.
Apropos Entlohnung: Ist der von SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil forcierte Mindestlohn von 1.700 Euro netto bei Lenzing überhaupt Thema?
Der Kollektivvertrag für die chemische Industrie ist aus Arbeitnehmersicht einer der besten, damit verdienen die Leute bei uns gutes Geld, das liegt über dem Mindestlohn des Landes.
Sie sind auch im Vorstand der Industriellenvereinigung, was halten Sie vom politisch festgesetzten Mindestlohn? Lenzing muss sich am Weltmarkt behaupten, das Burgenland will eigene Regeln aufstellen...
Man muss aufpassen, dass der Staat nicht überall eingreift und Regeln festsetzt, die negative Auswirkungen auf die Balance des Marktes haben. Unternehmen brauchen gute Mitarbeiter, die das Leben von ihrem Lohn gut bestreiten können, aber sie müssen auch selbst wettbewerbsfähig bleiben.
Wie schwer ist es, gute Mitarbeiter zu finden?
Das Burgenland ist kein ausgewiesener Industriestandort, deshalb müssen wir unsere Leute zum Teil selbst ausbilden. Wir brauchen Chemieverfahrenstechniker, Produktions- und Anlagentechniker, aber auch speziell ausgebildete Mechaniker und Elektriker. Pro Jahr suchen wir 10 bis 15 Lehrlinge, aber schulen auch Erwachsene um. Insgesamt haben wir 150 bis 200 Personen ausgebildet.
Produktion und Instandhaltung sind Männerberufe?
Ja, derzeit beträgt der Frauenanteil nur rund zehn Prozent. Wir bemühen uns aber verstärkt auch um Mädchen. Chemieverfahrenstechnikerinnen und Schlosserinnen haben wir schon ausgebildet und gute Erfahrungen gemacht. In der Verwaltung schaut es viel besser aus, Logistik, Personal und Controlling werden bei uns von Frauen geleitet.
Vom Lyocellwerk und der S 7 wurde ein Schub fürs Südburgenland erwartet. Die S 7 soll nach jahrelangen Diskussionen Ende 2024 eröffnet werden – zu spät?
Wir sind ein etablierter Leitbetrieb, uns hilft die S 7 nur, unsere Lkw ein bisschen schneller zum Containerterminal Graz zu bringen, wo sie auf die Bahn verladen werden. Aber für die Region ist die Schnellstraße ein sehr wichtiger Impuls, den sie hoffentlich nutzt. Wenn sich dank der S 7 andere Betriebe ansiedeln, lebt die Region auf und wird attraktiver für qualifizierte Mitarbeiter. Das würde auch uns helfen.
Lenzing ist einer der größten Arbeitgeber im Südburgenland, fühlen Sie sich von Lokal- und Landespolitik entsprechend wertgeschätzt?
Ja, schon. Wir haben ein gutes Einvernehmen mit allen Partnern. Lenzing hat sich Reputation erarbeitet und wir fühlen uns sehr wohl hier, schätzen die Region und unsere Mitarbeiter, die extrem loyal zum Unternehmen stehen. Ich komme aus Oberösterreich und bin 1998 in Heiligenkreuz dazugestoßen. Mittlerweile bin ich hier auch sesshaft geworden und fühle mich ein bisschen als Südburgenländer.
Oberösterreich ist ein klassisches Industrieland, während man im Burgenland manchmal den Eindruck gewinnen kann, das Leben bestünde nur aus Radlfahren und Weintrinken...
Es ist wichtig, mehrere Standbeine zu haben. Das Burgenland ist gut positioniert bei Wein und als Sonnenland, das ist super. Aber wenn ich an die S 7 denke, die 25 Jahre bis zur Verwirklichung gebraucht hat, haben wir viele Chancen liegenlassen. Der Landessüden braucht nach wie vor besondere Aufmerksamkeit. Im Norden, der zum Wiener Speckgürtel gehört, rechnen sich Investitionen rascher, im Südburgenland muss man langfristiger denken.
Haben Sie Ambitionen auf das Präsidentenamt der Industriellenvereinigung, sollte IV-Präsident Manfred Gerger beim nächsten Mal nicht mehr kandidieren?
Nein. Mein Job fordert mich auch zeitlich sehr, der Industriellen-Präsident muss für das Amt ein wenig Freiraum haben. Ich sehe mich nicht in der Lage, mich dafür freizuspielen.
Rekord-Investition
Mit 1,9 Milliarden Schilling (rund 140 Mio. Euro) war das Lyocellwerk Mitte der 1990-er Jahre die bis dahin größte Betriebsinvestition im Burgenland
Leitbetrieb
Das Werk der oberösterreichischen Lenzing AG erzeugt im Fünf-Schichtbetrieb (zwei Gruppen haben jeweils frei) 80.000 Jahrestonnen Premiumfaser für Textil- und Bekleidungsindustrie sowie Vliesstoffe
340 Mitarbeiter sind Rekord. Seit 2009 ist der promovierte Chemiker Bernd Zauner Lyocell-Chef
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