Industriellen-Präsident: „Kein Befürworter des Mindestlohns“

Industriellen-Präsident: „Kein Befürworter des Mindestlohns“
IV-Präsident Gerger kein Fan des Doskozil-Plans von 1700 Euro netto Mindestlohn in Landesbetrieben

Als Präsident der Industriellenvereinigung (IV) vertritt Manfred Gerger mehr als 160 Unternehmen mit 7300 Beschäftigten, die Waren im Wert von 3,2 Milliarden Euro absetzen, 56 Prozent gehen ins Ausland. Der IV-Chef über Wein und Weisheit, den künftigen Landeschef und seine persönliche Zukunft.

KURIER: Das aktuelle Konjunkturbarometer zeigt bei Geschäftslage und Exporten fallende Tendenz...

Manfred Gerger: Jeder ist sich bewusst, dass das Wachstum der letzten Monate nicht so weitergeht und eine leichte Abschwächung stattfindet. Wir müssen uns von der Vorstellung steten Wachstums verabschieden. Viele Unternehmen sind zufrieden, wenn die Lage einigermaßen stabil bleibt, sie Beschäftigung sicherstellen können, die Ertragssituation nicht nach unten geht und ein starker Standort abgesichert ist.

Trotz dieser verhaltenen Aussichten wurden zuletzt wieder mehr Mitarbeiter eingestellt. Wie passt das zusammen?

Weil die Unternehmen nicht glauben, dass es im nächsten halben Jahr drastisch nach unten geht. Deshalb versucht man, qualifizierte Mitarbeiter zu halten, damit man gerüstet ist, wenn die Konjunktur doch nicht so abflacht wie zuletzt erwartet.

Bedeutet der Mitarbeiterzuwachs auch, dass der Fachkräftemangel kein so großes Thema mehr ist?

Der Mangel ist nach wie vor ein massives Thema. Die Unternehmen behelfen sich so, dass sie in die Qualifikation der Mitarbeiter mehr investieren als das früher notwendig war. Man versucht Mitarbeiter an Bord zu kriegen und sie für die Zukunft auszubilden. Das belastet die Unternehmen zusätzlich.

Warum?

Wir kriegen Unterstützung von der öffentlichen Hand, aber das deckt nur einen geringen Teil ab. Rund 90 Prozent der Kosten müssen die Betriebe stemmen. Natürlich würden wir uns mehr Hilfe wünschen, aber die finanzielle Situation im Land gibt das wohl nicht her.

Arbeitnehmer aus dem benachbarten Ausland und Asylberechtigte sind da auch keine Hilfe?

Der Anteil ungarischer Arbeitnehmer in Burgenlands Industrie ist in den vergangenen zwei, drei Jahren vielleicht von fünf auf sieben Prozent gestiegen. Inzwischen ist der Arbeitskräftemarkt aber auch dort ausgelaugt und wir müssen in Mitarbeiter von jenseits der Grenze intensiv investieren. Und unter Asylberechtigten werden die Betriebe überhaupt nicht fündig.

In den vergangenen Jahren hat die Industrie unter den Russland-Sanktionen der EU gelitten, jetzt droht mit dem Brexit im Westen Ungemach.

In einer bundesweiten Umfrage unter Unternehmern haben im Burgenland rund zehn Prozent gesagt, sie erwarten starke Auswirkungen, österreichweit waren es nur 6,7 Prozent.

Apropos Auswirkungen: Das Burgenland bekommt Ende Februar einen neuen Landeshauptmann. Was erwarten Sie von Hans Peter Doskozil?

Ich glaube nicht, dass sich im Vergleich zu Hans Niessl ein großer Wandel einstellen wird. Meine Forderungen an den neuen Landeshauptmann knüpfen an das an, was in den letzten Jahren erfolgreich gestartet wurde, etwa mit der Ansiedelung von Joanneum Research in Pinkafeld. Wir brauchen Forschung und Entwicklung, um nicht nur ein Produktionsstandort zu sein. In der Bildung müssen wir den Jungen vermitteln, wie digitale Wirtschaft ausschaut und welchen Beitrag sie leisten können. Und auch in der Verkehrsinfrastruktur muss einiges passieren.

Doskozil will ab 2020 im Land und landesnahen Bereich einen Mindestlohn von 1700 Euro netto. Was halten Sie davon?

Ich bin kein Befürworter dieser Idee. Der Spielraum dafür muss erst einmal erwirtschaftet werden. Dass sich das Land das leisten kann, bezweifle ich.

Befürchten Sie dadurch auch Lohndruck auf Industriefirmen?

Das ist durchaus möglich.

Das Burgenland wird vor allem als Tourismusland propagiert. Wünschen Sie sich von der Politik mehr Industriegesinnung?

Wir haben in den vergangenen Jahren viel weitergebracht, wo auch das Land beteiligt war. Das Burgenland kann nicht nur als Produktionsstandort bestehen. Wir brauchen Firmen-Headquarter im Land, wo auch Forschung und Entwicklung betrieben wird.

Ist es realistisch, dass sich große, forschungsintensive Unternehmen hier ansiedeln?

Gegenfrage: Wären wir in der Lage, genügend qualifizierte Mitarbeiter anzubieten? Dass es bei uns schön ist und wir über guten Wein und angenehme Thermen verfügen, ist nett, aber zu wenig. Bildung und Qualifikation der Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg.

Sie haben 30 Jahre bei Hella gearbeitet, die letzten zehn als Vorsitzender der Geschäftsführung der Hella Fahrzeugteile Austria GmbH. Jetzt verlassen Sie das Unternehmen – wo geht die Reise hin?

Das kann und will ich noch nicht sagen. Es gibt eine Veränderung und ich freue mich darauf. Man wird sehen, was die nächsten Monate bringen. Mein Herz schlägt fürs Burgenland, aber das kann man sich heute nicht mehr aussuchen. Auch beim Arbeitsort muss man flexibel sein, gerade mit 55 Jahren.

Warum verlassen Sie Hella?

Wir haben Stillschweigen vereinbart, deshalb kann ich dazu nichts sagen.

Sie sind seit 2011 IV-Präsident, kandidieren Sie 2019 für eine dritte Amtszeit?

Das Burgenland ist da zwar flexibler, aber ich habe von Anfang an gesagt, dass ich mich am Bundestrend orientieren möchte, also Schluss nach zwei Perioden. Ich glaube, dass eine Verjüngung dann ganz gut wäre.

Heißt, Sie treten nicht mehr an?

Das möchte ich so nicht sagen. Das hängt wesentlich auch von meiner künftigen Tätigkeit ab. Wenn ich in der Region bleibe, kann es durchaus sein, dass ich noch einmal antrete.

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