Lebenslang Pflegegeld für Anna
Ich muss erst realisieren, dass es vorbei ist“, erleichtert und auch ein wenig erschöpft verlässt Daniela Haselbacher den Verhandlungssaal am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien. Vier zähe Jahre lang hat die Burgenländerin um die Rechte ihrer kleinen Tochter gekämpft, Schmerzensgeld und Pflegekosten eingeklagt.
Wie berichtet, hatte sich Daniela Haselbacher am 21. Februar 2008 (nur wenige Tage vor Annas errechnetem Geburtstermin) mit starken Schmerzen und Blutungen ins Oberwarter Spital begeben. Erst knapp acht Stunden nach ihrer Aufnahme wurde sie von einem Oberarzt untersucht und verlangte einen Kaiserschnitt. Doch man erklärte ihr, dass eine Geburt nun einmal schmerzhaft sei und sie keinen Kaiserschnitt benötige. Wertvolle Stunden vergingen, bis Anna um 13.59 Uhr geboren wurde. Das Baby war leblos und musste sofort reanimiert werden.
Über die gesamte Tragweite dieser tragischen Entbindung wird Daniela Haselbacher erst ein halbes Jahr später von einem Kinderarzt aufgeklärt. Anna kann nicht gehen, nicht sitzen, nicht greifen, nicht sprechen, ihren Kopf nicht halten. Die Kleine hat spastische Lähmungen und Krämpfe.
Diese Folgen wären „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ausgeblieben, wenn der Kaiserschnitt rechtzeitig durchgeführt worden wäre, stellte Gerichtsgutachter Frank Giradi fest. Und auch der beauftragte Zweitgutachter, Neonatologe Prof. Wilhelm Müller folgt Giradis Beurteilung.
Nun wurde ein Urteil gefällt: Das Gericht sprach den Krankenanstaltenerhalter, die Krages, schuldig „aufgrund der nicht lege artis durchgeführten Geburt und der mangelhaften Aufklärung im Oberwarter Krankenhaus“ sämtliche künftige Pflegekosten für die heute 4,5-jährige Anna zu tragen. Über die bisher angefallenen Kosten haben sich Kläger und beklagte Partei verglichen, außerdem hat die Krages bereits im September – noch bevor ein Urteil gefällt war – das geforderte Schmerzensgeld für Anna gezahlt.
Konsequenzen
Zu dienstrechtlichen Konsequenzen für das involvierte medizinische Personal im Oberwarter Spital hält sich die Krages bedeckt. „Sollte es Konsequenzen geben, werden wir sie sicher nicht öffentlich spielen“, hatte Krages-Chef Hannes Frech bereits auf KURIER-Anfrage klargestellt.
Dennoch: Vorbehaltlich der Genehmigung durch die Pflegschaftsbehörde kann nun noch vor Weihnachten – nach Ablauf der Widerrufsfrist – ein Schlussstrich unter den jahrelangen Rechtsstreit gezogen werden. „Das ist für mich das allerschönste Weihnachtsgeschenk“, freut sich Daniela Haselbacher, dass sie eine Sorge weniger hat.
Im Burgenland hat die Patientenanwaltschaft in den Jahren 2010/2011 für Betroffene in 37 Fällen insgesamt etwa 510.000 Euro Schadenersatzzahlungen erreicht, zieht Patientenanwalt Josef Weiss Bilanz. Insgesamt wurden 355 Beschwerdefälle bearbeitet, was einen leichten Rückgang zum Berichtszeitraum 2008/2009 bedeutet, da waren es 369 Fälle.
„Pro Jahr gibt es zirka 160 neue Fälle“, erklärt Weiss. 2010/2011 betrafen 195 Beschwerden Spitäler und knapp 50 freiberufliche Ärzte. Wie Gesundheitslandesrat Peter Rezar informiert, beträfen mehr als 75 Prozent der Beschwerdefälle die medizinische Behandlung – in Spitälern, aber auch im niedergelassenen Bereich sowie bei Zahnärzten.
Über die Schlichtungsstelle der Ärztekammer sind zwei Verfahren mit einer Schadenersatzleistung von insgesamt 16.200 Euro Schadenersatz gelaufen. Bei Schäden, die nicht unter die Haftpflichtversicherung fallen, wird der Patientenentschädigungfonds tätig. Dabei seien in neun Fälle rund 54.300 Euro zugesprochen worden.
Burgenlands Spitäler nehmen jährlich rund 60.000 Patienten stationär auf, rund 255.000 ambulante Behandlungen werden verzeichnet. Insgesamt sieben Beschwerden kamen in den vergangenen zwei Jahren aus dem Bereich der 47 burgenländischen Altenwohn- und Pflegezentren.
Bei den Beschwerden über Krankenhäuser mache die Chirurgie, also Operationen, fast 60 Prozent der Eingaben aus, sagt Rezar. Bei Allgemeinmedizinern gehe es meist darum, dass Ärzte ihrer Bereitschaftsverpflichtung nicht nachgekommen wären.
Aus dem Bereich der Sozialversicherungen kämen Beschwerden etwa über die Ablehnung von Leistungen wie Kur- und Reha-Aufenthalten sowie zu Problemen bei Kostenübernahmen beispielsweise für Heilbehelfe.
Im Jahr 2001 wurde die Patientenanwaltschaft im Burgenland eingerichtet. Seit 2009 ist Josef Weiss auch Behindertenanwalt des Landes.
Kommentare