Landtagspräsident Hergovich: "Dann lasse ich das Spiel laufen"
Schon in seiner ersten Landtagssitzung als Präsident erteilte Robert Hergovich einen Ordnungsruf – just seinem Nachfolger als SPÖ-Klubchef. Der 47-jährige Trausdorfer wollte vor der letzten Landtagswahl schon aus der Politik ausscheiden. Statt ausgestiegen ist er aufgestiegen.
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KURIER: Sie haben im Herbst 2017 angekündigt, nach der Landtagswahl 2020 aus der Politik auszuscheiden. Stattdessen wurden Sie wieder Klubobmann und jetzt sind Sie als Landtagspräsident gar die Nummer zwei der Landespolitik. Warum dieser Meinungsumschwung?
Robert Hergovich: Ich war 2017 Klubobmann und habe von meinem früheren Arbeitgeber, der Arbeiterkammer, ein sehr spannendes Jobangebot bekommen. Kurz nach der Landtagswahl im Jänner 2020 hat mich LH Hans Peter Doskozil spätabends angerufen und gefragt, ob ich nicht wieder Klubchef werden möchte. Er hat mich innerhalb weniger Minuten überzeugt, weil mich sein politisches Programm gefesselt hat, vom Mindestlohn bis zur Neuaufstellung der Pflege. Für mich hat wahrscheinlich auch meine Erfahrung gesprochen, ich habe die absolute Mehrheit der SPÖ von 2008 bis 2010 erlebt, die Proporzregierung mit der ÖVP und schließlich Rot-Blau.
Als Hans Peter Doskozil 2017 ins Burgenland zurückkehrte, galten Sie nicht als „Doskozilianer“. Was hat Sie getrennt?
Diese Darstellung hat nie der Realität entsprochen. Es wurde immer nur kolportiert, natürlich auch von der Opposition, dass ich mit Hans Peter nicht gut wäre. Aber meine Entscheidung, zur AK zurückzukehren, stand schon fest, als Doskozil noch Verteidigungsminister und keine Rede von seiner Rückkehr ins Burgenland war.
Landtagspräsident wird man meist am Ende der Karriere, Sie sind erst Mitte 40. Wie sieht Ihr Karriereplan aus?
Es gibt keinen Karriereplan. In der Politik entscheidet immer das Volk. Aber ich bin gekommen, um zu bleiben. Die Aufgabe ist erfüllend. Zur Altersfrage: Seit 1945 gab es vier Landtagspräsidenten, die jünger waren als ich, darunter der spätere Kanzler Fred Sinowatz. Ich trete in große Fußstapfen.
Es zieht Sie nicht auf die Regierungsbank?
Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin überzeugter Parlamentarier und habe schon einige Projekte zur Stärkung der Demokratie im Kopf.
Geht die SPÖ in der jetzigen Aufstellung in die Landtagswahl?
Ja, aus Sicht der Sozialdemokratie steht das Team.
Seit Sie Verena Dunst abgelöst haben, ist das Landtagspräsidium wieder frauenlos. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass es nach der Wahl zumindest wieder eine Dritte Präsidentin gibt, so die SPÖ den Anspruch darauf hat?
Ja, das ist eine starke Überlegung. Wobei ich betone: Wenn es eine Frau werden sollte, was ich begrüße, sollte es aufgrund ihrer Kompetenz sein und nicht wegen des Geschlechts.
Apropos: Der Frauenanteil im Landtag spiegelt die Gesellschaft so wenig wider wie die Berufe der Mandatare.
Da gibt es definitiv Aufholbedarf. Wenn es mehr Frauen und mehr Vielfalt bei Berufen gäbe, wäre das von Vorteil.
Unter der Vorsitzführung Ihrer Vorgängerin ist es regelmäßig zu harten Auseinandersetzungen mit der ÖVP gekommen. Wie wollen Sie das angespannte Verhältnis zur größten Oppositionspartei beruhigen?
Verena Dunst hat viel geleistet. Aber jeder hat seinen eigenen Stil. Als früherer Klubchef habe ich Verständnis für pointierte Formulierungen, solange sie respektvoll bleiben. Ich habe Fußball gespielt, Fair-Play ist mir ganz wichtig. Hinter jedem Politiker steht ein Mensch und eine Familie. Ich werde mich bemühen, im Landtag eine Atmosphäre zu schaffen, die den respektvollen Umgang gewährleistet.
Um beim Fußball zu bleiben: Haben Sie als Schiri beim Zücken der Gelben Karte eine lockere Hand oder lassen Sie das Spiel lieber laufen?
Wesentlich ist, dass man nie persönlich wird und die Würde des Hauses gewahrt wird. Dann lasse ich das Spiel laufen. Wenn es notwendig ist, erteile ich aber Ordnungsrufe, unabhängig von Parteizugehörigkeit. Das habe ich mit einem Ordnungsruf für meinen Parteikollegen Roland Fürst schon in meiner ersten Sitzung als Präsident bewiesen.
Obwohl die Opposition kein gutes Haar an der Politik der SPÖ lässt, wurden sie mit 34 von 35 Stimmen zum Präsidenten gewählt. Überrascht?
Nicht überrascht, sondern erfreut, dass sich nur einer oder eine entschlossen hat, einen leeren Zettel in die Wahlurne zu werfen.
Sie selbst waren es nicht, der ungültig gewählt hat?
Nein, ich war‘s nicht (lacht).
Vielleicht traut man Ihnen zu, mehr den Konsens als die Konfrontation zu suchen?
Ich komme aus der Arbeiterkammer, die Sozialpartnerschaft ist mir deshalb sehr wichtig. Da gibt es auch einen Interessengegensatz, aber am Ende wird immer ein gemeinsamer Nenner gefunden. Das Zuhören ist für mich ein entscheidendes Element der Demokratie.
Wenn wir bei grundsätzlichen Fragen sind: Planen Sie eine Verfassungsreform?
Nach der Landtagswahl, wenn sich die Gemüter beruhigt haben, werden sich alle Fraktionen zusammensetzen. Da und dort gibt es Änderungsbedarf.
Die Regierung hat seit 2020 nur noch fünf statt sieben Mitglieder. Soll auch die Zahl der Mandatare verringert werden?
Nein, da bin ich absolut dagegen. Dass alle Regionen und Bezirke eines Landes abgebildet sind, ist für eine Demokratie absolut notwendig.
Könnte die Zahl der Regierungsmitglieder wieder erhöht werden?
Ich will den Verhandlungen nicht vorgreifen, aber derzeit gibt es keine Bestrebungen in diese Richtung. Man sieht, dass es auch mit fünf Regierungsmitgliedern funktioniert. Außerdem hätte niemand Verständnis dafür, dass es jetzt sieben Rote auf der Regierungsbank gäbe.
Sie gehen davon aus, dass die SPÖ wieder die absolute Mehrheit holt?
Ich mische mich nicht mehr in die Tagespolitik ein, diese Frage entscheiden die Wähler.
LH Doskozil macht sein Antreten davon abhängig, ob er „die Partei zieht“. Zweifeln Sie an seiner Kandidatur?
Überhaupt nicht. Wir wissen, dass er das große Plus der Sozialdemokratie ist. Wenn der Landeshauptmann kandidiert, wovon ich persönlich ausgehe, wird das Ergebnis ein sehr gutes werden. Er genießt in der Bevölkerung unheimliches Vertrauen.
Glauben Sie seinen Beteuerungen, dass die Bundespolitik für ihn abgeschlossen ist – seine Wortmeldungen lassen anderes vermuten?
Bundespolitik ist für ihn kein Thema mehr. Wer Hans Peter Doskozil kennt, weiß, dass er immer sagt, was er denkt und macht, was er sagt.
Beruf
Der aus Trausdorf an der Wulka stammende Robert Hergovich absolvierte eine Ausbildung zum Großhandels- und Bürokaufmann und die Sozialakademie;
1995 begann er seine Berufslaufbahn bei der AK
Privat
Der Trausdorfer ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Fußball ist sein Hobby, er spielte im linken Mittelfeld
Politik
2008: Einzug in Landtag
2009-2015: SPÖ-Parteimanager
2015-2017: und wieder ab 2020 Klubchef
seit 21. September 2023: Erster Landtagspräsident
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