Vor 20 Jahren schloss die damalige rot-schwarze Landesregierung Zinstauschgeschäfte ab, die bis 2033 einen Verlust von 194 Millionen Euro bringen könnten. Ein Gerichtsurteil lässt das Land nun hoffen
Politiker, die von Amtsvorgängern etwas erben, haben in den seltensten Fällen Freude mit dieser Hinterlassenschaft. Besonders unerfreulich sind die Zinstauschgeschäfte (Swaps), die LH Hans Peter Doskozil aufgebürdet wurden, als er Ende 2017 das Finanzressort in der burgenländischen Landesregierung übernommen hat.
2003 und 2004 hatte die damalige rot-schwarze Proporzregierung zur Absicherung des Kreditvolumens des Landes mit vier österreichischen Banken (Bawag PSK, BA-CA, Hypo-Alpe-Adria und RLB NÖ-Wien) insgesamt sechs Swap-Verträge ohne Grundgeschäft mit einer Laufzeit von 30 Jahren und einer Nominale von 150 Millionen Euro abgeschlossen (siehe auch Zusatzbericht unten).
Kein gutes Geschäft fürs Burgenland, wie sich bald herausstellte, weshalb Doskozil nach seinem Eintritt in die Landesregierung den Auftrag gab, die verlustreichen Zinsgeschäfte „in rechtlicher Hinsicht zu hinterfragen“ und nach Ausstiegsmöglichkeiten zu suchen.
Denn während das Land zur jährlichen Zahlung von fixen Zinsbeträgen zwischen 5,10 Prozent und 5,99 Prozent auf die Nominale verpflichtet war, bekam es von den Banken im Tausch dafür den jeweils zum Stichtag gültigen variablen 6-Monats-Euribor oder (in einem Fall) den entsprechenden US-Interbankzinssatz.
Immer draufgezahlt
Diese Interbankzinssätze lagen aber fast immer weit unter den Fixzinsen des Landes. Das Land hatte sich bei Abschluss der Swaps vor nunmehr zwei Jahrzehnten schlicht verspekuliert.
Fazit des Landesrechnungshofs (BLRH): „Von 2005 bis 2021 zahlte das Land Burgenland für die sechs Swaps fixe Zinsen von rund 129,2 Millionen Euro. Im Gegenzug dazu erhielt es variable Zinsen von rund 30,1 Millionen Euro. Dies führte zu negativen Ergebnissen in Höhe von rund 99,1 Millionen Euro“.
Wobei gesagt werden muss: Noch wurde der Schaden nicht schlagend, die Swap-Verträge laufen noch weitere zehn Jahre. Aber ohne dramatischen Anstieg des 6-Monats-Euribor (aktuell: 3,9 Prozent) erwartet der Landesrechnungshof „weitere Nachteile aus den Swaps“. Über die 30-jährige Laufzeit könnte der Schaden 2033 rund 194 Millionen Euro betragen.
Ein Betrag, fast so groß wie die Kosten fürs neue Oberwarter Krankenhaus.
Heta abgeblitzt
Seit einigen Wochen gibt es aber berechtigte Hoffnung, dass dieses Horrorszenario nicht eintritt. Das Land habe ein Verfahren in der Causa gewonnen, frohlockte Doskozil Mitte November in seiner Budgetrede. Das werde mit 14,5 Millionen Euro zu Buche schlagen. Und bei zwei weiteren Swaps habe das Land 2024 die Möglichkeit auszusteigen, was einen bilanziellen Schuldenabbau von bis zu 80 Millionen Euro bedeuten würde.
Tatsächlich konnte das von der Wiener Anwaltskanzlei Aigner Lehner Zuschin vertretene Land jüngst eine Klage der Heta Asset Resolution AG (Abwicklungsgesellschaft der ehemaligen Hypo Alpe Adria) nicht rechtskräftig abwehren. Die Heta hatte das Land im Vorjahr beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien auf Zahlung von 14,5 Millionen Euro zuzüglich Zinsen geklagt. Begründung: Weil sich die Heta „in aktienrechtlicher Liquidation“ befinde, sei der Swap seit Anfang 2022 automatisch beendet und das Land als Vertragspartner zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet. Die Auslegung des 2004 zunächst telefonisch geschlossenen Vertrags „führte zur Abweisung des Klagebegehrens“, heißt es im Urteil vom 31. Oktober 2023, das dem KURIER vorliegt. Die Heta hat berufen, jetzt ist das Oberlandesgericht Wien am Zug.
Mitte des kommenden Jahres können dann die beiden mit der Bank Austria vereinbarten Swaps gekündigt werden. Wie es derzeit ausschaut, wird das Land auch in diesem Fall mit einem blauen Auge aussteigen können und den Schaden minimieren.
Und sollte es noch einmal zu Gericht gehen, vertraut das Land auf einen spitzen Pfeil, den man gegen die Heta noch im Köcher lassen konnte: Das Land argumentiert, die Swaps seien von Anfang an zu seinen Lasten gewesen. Auf diesen angeblich „anfänglich negativen Marktwert des Swap-Geschäfts“ musste das Wiener Zivilgericht im Heta-Urteil gar nicht mehr eigens eingehen.
Als die rot-schwarze Landesregierung auf der Kippe stand
Die rot-schwarze Landesregierung ist seit Mitte 2015 Geschichte, Verträge aus deren langer Ära haben aber nach wie vor Gültigkeit. Etwa die zu den Zinstauschgeschäften mit sechs Banken, die 2003 und 2004 fixiert wurden.
Finanzlandesrat war damals Helmut Bieler (SPÖ), der Ende 2017 für Hans Peter Doskozil Platz machen musste. An der Spitze der Landesregierung standen bis 2019 Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und bis 2015 Franz Steindl (ÖVP) als Landeshauptmannstellvertreter. Obwohl sie anfangs mitgestimmt hatte, wetterte die Volkspartei immer wieder gegen die Swaps.
Besonders in den Jahren zwischen 2005 und 2010, als die SPÖ zwar die absolute Mehrheit hielt, die ÖVP aber dank Proporz dennoch in der Regierung saß. 2009 sorgte ein Bericht des Bundesrechnungshofs (RH) für Zündstoff in der Regierung. „Die zum Teil ohne Grundgeschäfte und nicht zu Absicherungszwecken durchgeführten Derivativgeschäfte waren als risikoreich einzustufen“, merkten die RH-Prüfer damals an. Sie erinnerten aber auch daran, dass eine „abschließende Bewertung dieser Geschäfte“ erst 2033 möglich sei.
Mit Landesgeldern wurde „gezockt, spekuliert und verloren“, befand Steindl seinerzeit und wollte seine Unterschriften zur Genehmigung der Swaps nachträglich zurückziehen. Die ÖVP habe den langfristigen Geschäften in den Jahren 2003 und 2004 nur zugestimmt, weil beteuert worden sei, dass kein Risiko bestünde. Um solche Geschäfte künftig zu unterbinden, forderte der kleinere Regierungspartner damals im Landtag ein „Anti-Spekulations-Gesetz“.
Spekulationsverbot seit 2017
Das steht seit 2013 in der Burgenländischen Landesverfassung. Im Herbst 2017 beschloss der Landtag zudem einstimmig ein Spekulationsverbot. Das Land darf seither etwa „derivative Finanzgeschäfte“ nur bei entsprechendem Grundgeschäft abschließen.
Swaps, wie die vor 20 Jahren abgeschlossenen, wären laut Landesrechnungshof damit heute nicht mehr möglich. Waren die Politiker damals tatsächlich Zocker? Wohl kaum, denn erstens waren Swaps zu dieser Zeit kein unübliches Finanzinstrument und zweitens holte man sich Experten von außen, etwa einen renommierten Finanzberater. Außerdem hatte das Land Gutachten zweier Universitätsprofessoren eingeholt, nach deren Richtlinien man vorgegangen sei, betonte der frühere Landeshauptmann Niessl.
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