"Wenig transparente Geldkreisläufe"

Landesrechnungshof-Direktor Andreas Mihalits hat der Regierung mit seinen Berichten wenig Grund zur Freude gegeben
Der Landesrechnungshofdirektor über Schulden des Landes, Berater und seine Zukunft.

KURIER:Der Landesrechnungshof hat die Vermögensverwaltung GmbH (BVOG), eine Tochter der Landesholding, geprüft und ein Finanzkarussell gefunden – sind Sie noch schwindlig? Andreas Mihalits: Faktum ist, dass wir eine Vielzahl von Finanzgeschäften vorgefunden haben, die wir so nicht erwartet haben. Es war nicht immer einfach, die Konstruktion zu durchschauen, in der Gelder in wenig transparente Kreisläufe geschickt wurden. Von ,Karussell‘ sprechen wir nicht, deshalb gab es auch keine Nebenwirkungen wie Schwindelgefühle.

Das Land verkauft 2006 Beteiligungen um 225 Millionen Euro an die Landesholding, also an sich selbst. Die Holding muss den Kaufpreis am Anleihenmarkt aufnehmen, das Land veranlagt die Summe bei der Kommunalkredit. 2012 überträgt das Land der Holding oder der BVOG die Veranlagung dieser Mittel, die wiederum Kredite an andere Landesbeteiligungen vergibt, auch an die Landesholding. Da dreht sich alles, oder? Es handelt sich um eine Vielzahl von Finanzgeschäften mit fremdfinanziertem Kapital. Dass damit neuerlich Kreditgeschäfte durchgeführt werden, ist ein Grund, warum wir das gesamte Geschäftsmodell der BVOG in Frage stellen.

Das Land hat sich zweimal verschuldet, es wird aber der Anschein erweckt, man habe nur einmal Geld aufgenommen? Konsolidiert betrachtet, hat sich der Schuldenstand erhöht. Um 225 Millionen Euro, die die BVOG an die kreditnehmenden Landesgesellschaften vergeben hat. Die Landesgesellschaften müssen die Kredite natürlich wieder zurückzahlen. Das ist so, als hätte man die Kredite bei einer Bank aufgenommen.

Stattdessen wurde die BVOG zur "Bank" des Landes... Es wurden aus unserer Sicht zumindest bankähnliche Finanzgeschäfte abgeschlossen. Dazu kommt, dass auch EU-rechtliche Bestimmungen einzuhalten sind. Vor allem die Marktüblichkeit der Kreditgeschäfte muss gewährleistet sein. Und zum Dritten übernimmt letztlich das Land sämtliche Risiken der BVOG und von deren Schuldnern.

Wie groß wäre die Belastung fürs Land im schlimmsten Fall? Zu den ursprünglichen 225 Millionen Euro käme die Restannuität der Landesholding von bis zu 680 Millionen Euro für die Laufzeit bis 2037. Ob diese Summen auch schlagend werden, kann aus heutiger Sicht nicht abschließend beurteilt werden.

Was tun? Die BVOG liquidieren und das Geld wieder bei einer Bank anlegen? Das ist nicht so einfach. Holt man das Kapital zu BVOG oder Land zurück, müssen sich die Kreditnehmer das Geld am Kapitalmarkt holen. Wir haben auch keine Patentlösung, aber es geht darum, die aufgezeigten Risiken schrittweise zu reduzieren.

Wer managt die Geschäfte der BVOG?Die Holding übt die Geschäftsführung für die BVOG aus und wird von einem externen Berater bei Finanzfragen unterstützt.

Von einem einzigen Berater? So hat sich das für uns dargestellt.

Was kostet er dem Land oder der BVOG? Über die Anzahl der Beratungsverträge beim Land oder den Landesgesellschaften besteht unsererseits kein Überblick, daher kann ich auch keine Zahl nennen.

Sind angesichts der BVOG-Geschäfte die 1,048 Milliarden Euro Gesamtschulden des Landes noch korrekt? Es wäre unseriös, das jetzt abschließend zu beantworten. Dazu bräuchte es eine Konzernbilanz, die sollte es spätestens für das Finanzjahr 2019 geben.

Sind die Landesfinanzen stabil? Wir sehen die Stabilität aktuell nicht gefährdet, weisen aber auf drohende Risiken hin. Auf lange Sicht werden wir nicht um Konsolidierungsmaßnahmen herumkommen, um den eventuell drohenden Zahlungsverpflichtungen entsprechen zu können.

Das heißt, Einsparungen im Landeshaushalt? Das hängt von vielen Faktoren ab. Unter anderem davon, wie die Entwicklung der Einnahmen im Landeshaushalt konjunkturbedingt verläuft.

Themenwechsel: Seit heuer darf der Landesrechnungshof auch Gemeinden unter 10.000 Einwohnern prüfen. Dass es in der fünfjährigen Legislaturperiode nur zehn Kommunen sein dürfen, haben Sie kritisiert. Ich muss den Beschluss des Landtags zur Kenntnis nehmen. Es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung, wir schließen eine Kontrolllücke. Wir bewerten derzeit anhand von fünf Indikatoren, welche Kommunen als erste drankommen.

Bis wann steht das fest? Spätestens Anfang des zweiten Quartals, mit der Prüfung der ersten Gemeinde wollen wir auch noch vor dem Sommer beginnen.

Wird das Neusiedl, das seit geraumer Zeit sanieren muss? Ich weiß es noch nicht. Das ist abhängig von der Auswertung des Bewertungsschemas. Grundsätzlich gilt, dass wir die zu prüfenden Gemeinden nicht öffentlich nennen, informiert wird zuerst der Bürgermeister.

Wie lange vor Beginn der Prüfung? Maximal zwei oder drei Wochen.

Dauer der Prüfungen? Rund sechs Monate. Wir wissen, dass die Gemeindeämter personell dünn besetzt sind und wollen den normalen Betrieb dort nicht allzu sehr belasten.

Kommunen werden ohnehin von der Gemeindeaufsicht geprüft. Besteht nicht die Gefahr, dass in Gemeinden künftig zu viel, das Land dafür aber zu wenig kontrolliert wird? Umso wichtiger ist die risikoorientierte Auswahl der Prüfkandidaten. Und wir sind jetzt auch besser aufgestellt. Als ich 2012 angetreten bin, hatten wir sechs Prüfer, jetzt neun. Für die Gemeinden gibt es ein dreiköpfiges Team, das bei Bedarf ergänzt wird. Die Gemeindeaufsicht muss innerhalb von fünf Jahren alle 171 Gemeinden prüfen, wir können daher mehr ins Detail gehen.

Empfinden das manche vielleicht als zu intensiv und versuchen zu intervenieren? Ich persönlich empfinde keinen Druck und nehme auch keine Interventionen der Politik wahr.

Schon Ihr Vorgänger hat beklagt, dem Landesrechnungshof fehle die volle Unabhängigkeit. Ihre Einschätzung? Aus meiner Sicht ist der Landesrechnungshof unabhängig. Beim Budget ist der Direktor nach dem Beschluss im Landtag befugt, allein darüber zu verfügen. In Personalfragen gibt‘s streng genommen immer noch eine Einschränkung, weil sämtliche Prüfer beim Land angestellt und dem Rechnungshof zum Dienst zugewiesen sind. Aber mit Ausnahme des Bundesrechnungshofs und Oberösterreichs haben alle Landesrechnungshöfe die gleiche Regelung.

Vor Ihrer Bestellung 2012 gab es heftigen Widerstand der Opposition, weil Sie früher Mitarbeiter im Büro des Landeshauptmannes waren. Jetzt gibt‘s Lob – eine Genugtuung? Nein, wenn man sich um eine solche Funktion bewirbt, muss man mit scharfem Gegenwind rechnen. Heute wird man gelobt, morgen ist man unbeliebt – das darf man nicht auf die Waagschale legen. Mein Team und ich bemühen uns, die Arbeit sachlich und korrekt zu machen.

Lassen Sie besonders streng prüfen, um die Hypothek der Vergangenheit in einem politischen Büro abzuschütteln? Die Bewertung, ob die Prüfungen streng sind oder nicht, ist nicht mehr Teil unserer Berichte, sondern der öffentlichen Interpretation. Es sind Fakten, die uns zu bestimmten Feststellungen veranlassen.

Sie sind für zehn Jahre bestellt, eine Wiederbestellung ist gesetzlich ausgeschlossen – eine gute Regelung? Das muss der Landtag entscheiden, ich sehe das neutral. Es gibt in den Bundesländern verschiedene Regelungen mit und ohne Wiederbestellungsmöglichkeit.

Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach 2022? Nein, ich habe keine konkreten Pläne.

Seit 2012 leitet der Siegendorfer Andreas Mihalits (40) den Landesrechnungshof (LRh), der im Burgenland erst 2002 eingerichtet wurde und den Landtag bei der Prüfung der Gebarung des Landes unterstützt. Seit heuer darf er auch alle Gemeinden prüfen. Der LRH hat neun Prüfer und ein Budget von rund einer Million Euro. Mihalits hat Politikwissenschaften studiert und einen viersemestrigen MBA-Lehrgang für öffentliche Finanzkontrolle absolviert.

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