Kanzler Kern holt sich im roten Kernland Motivationsschub
Man könnte schon ins Grübeln kommen, was es für die österreichische Sozialdemokratie bedeutet, dass das kleinste Bundesland zum größten – oder gar letzten – Hoffnungsgebiet der Roten geworden ist. Denn auch, wenn die pannonische SPÖ prozentuell die besten Wahlergebnisse einfährt, die absoluten Zahlen relativieren die stolzgeschwellte Brust: Gerade einmal 70.222 Stimmen steuerten die pannonischen Genossen bei der letzten Nationalratswahl zum roten Gesamtergebnis von 1,26 Millionen Stimmen bei, die Steirer etwa gut 172.000.
Dennoch atmete Kanzler Christian Kern am Samstagvormittag bei der Regionalkonferenz der burgenländischen SPÖ in der Jubiläumshalle Klingenbach hörbar auf. Denn, so der SPÖ-Vorsitzende, im Burgenland werde er von der "inspirierenden Stimmung motiviert", während er tags zuvor in der Obersteiermark – und wohl auch in anderen Regionen – selbst den Motivator der geknickten Genossen geben musste. Würde Österreich aus "neun Mal Burgenland bestehen, hätte ich viele Sorgen weniger", streute Kern den Gastgebern rund um Landeshauptmann Hans Niessl Rosen. Übers Burgenland gebe es heute "keine Witze mehr, sondern das Land steht an der Spitze", reimte der SPÖ-Bundesparteichef vor gut 400 roten Funktionären.
Motivator
Denn, bei aller Relativität der Zahlen: Im Burgenland ist die SPÖ noch eine Siegerpartei. Das soll auch bei den Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen so bleiben, die wohl am 1. Oktober stattfinden. Zwei Regionalkonferenzen – am kommenden Samstag ist Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil in Oberwart zu Gast – sollen die Funktionäre auf den Urnengang einstimmen. Die Wahl werde "sehr, sehr schwierig" mahnte Niessl die Seinen, das "kommunalpolitische Gen" der Sozialdemokratie nicht verkümmern zu lassen. Worin das besteht? "Ein guter Stürmer geht dorthin, wo‘s wehtut", zog der Ex-Kicker Niessl einen Vergleich zum Fußball, und ein "Politiker muss dort sein, wo diskutiert wird und zuhören können". Man habe in den letzten Jahren "ein bissl verlernt zu den Menschen zu gehen", versuchte der glühende Austria-Anhänger Niessl so etwas wie eine "Rapid-Viertelstunde" einzuklatschen. Als Hauptgegner machte der frühere Bürgermeister die ÖVP aus, die sich schon "im Wahlkampfmodus" befinde.
Diese Niederungen der Regionalpolitik umtänzelte Kern in der zur Arena umgestalteten Veranstaltungshalle, in der die Redner inmitten des Publikums standen. Stattdessen dozierte er über Globalisierung und Digitalisierung, sprach den Zuhörern dabei aber offensichtlich dennoch aus dem Herzen: "Ja, wir sind Europäer, aber in erster Linie haben wir österreichische Interessen zu vertreten". Und für die Kommunalwahl im Oktober versprach er den Genossen, "an eurer Seite zu stehen".
So schlüpfte der Kanzler am Ende auch im Burgenland noch in seine Rolle als Motivator.
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