Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt derzeit wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs und Verletzung des Amtsgeheimnisses gegen einen Richter. Angezeigt hat ihn dem Vernehmen nach kein Geringerer als Vizepräsident Thomas Giefing. Der will sich auf KURIER-Anfrage nicht äußern. Es handle sich um ein laufendes Verfahren und die Lage sei komplex.
Das ist sie. Begonnen haben die Turbulenzen im Sommer 2018. Das Präsidentenamt wurde vorzeitig ausgeschrieben. Vielleicht, weil die Landesregierung noch vor der Landtagswahl 2020 die Wunschkandidatin ernennen wollte.
Neben LVwG-Richtern hatte sich damals eine Mitarbeiterin von SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl beworben. Nach Protesten auch aus dem Gericht zog sie zurück. Hans Peter Doskozil, damals Niessls designierter Nachfolger, polterte, die Verwaltungsrichter hätten sich durch ihre Kritik an der Kandidatin fürs Präsidentenamt disqualifiziert.
Zurück an den Start
Die Ausschreibung wurde abgebrochen, obwohl noch zwei LVwG-Richter im Rennen waren. Nach einer Neuausschreibung ernannte die rote Regierung unter Doskozil im März 2020 Andrea Potetz-Jud zur Präsidentin. Sie war rund zwei Jahre im Amt, ab Anfang 2022 führte Vize Giefing die Geschäfte. Mitte 2023 stellte Potetz-Jud einen Antrag auf Pensionierung wegen Dienstunfähigkeit.
Diese Vorgeschichte muss man kennen, um die gerichtsinternen Scharmützel zu verstehen. Wegen der Mehrbelastung aufgrund Potetz‘ Abwesenheit wollte Giefing seine richterliche Arbeit reduzieren. Weil in der Vollversammlung der Richterschaft, der die Geschäftsverteilung obliegt, kein Konsens erzielt wurde, soll der Vizepräsident im Mai 2022 per Anhang die Geschäftsverteilung geändert haben.
Als Beschwerden gegen Bescheide zweier Bezirkshauptmannschaften aufgrund dieses Anhangs auf dem Tisch des Richters landeten, erklärte der sich für unzuständig, weil der Kundmachung Giefings die „gesetzliche Grundlage fehle“, zuständig für „Erlassung und Änderung einer Geschäftsverteilung“ sei einzig die Vollversammlung.
Der Vizepräsident retournierte die Akten an den Richter und verwies auf „straf- und disziplinarrechtliche Konsequenzen“, sollte er sie abweisen.
All das findet sich in einem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs, an den sich die Bezirkshauptmannschaften gewandt hatten.
Konkurrenten ums Präsidentenamt
In diesem Beschluss vom 15. Februar 2024 heißt es auch, dass die „Geschäfte durch die Vollversammlung oder einen aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss auf die Einzelrichter (...) im Voraus zu verteilen sind“ – was den Richter stärken würde.
Zusätzliche Brisanz erhält der beinharte Disput, weil gerade ein Präsident oder eine Präsidentin gesucht wird. Die Ausschreibung ist beendet, beworben haben sich nur LVwG-Richter – darunter der Vizepräsident und der angezeigte Richter.
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