"Die Leute sind sehr diszipliniert"
Die Linderung erfolgt nur in homöopathischen Dosen: Nachdem Montagvormittag ein einziger Sonderzug mit rund 400 Flüchtlingen das nordburgenländische Nickelsdorf in Richtung Wien verlassen hat, folgen zu Mittag 14 Busse mit jeweils rund 60 Passagieren, die Quartiere in Westösterreich ansteuern. Aber hinter den Bussen am Grenzübergang kommen zugleich müden Schrittes immer neue Flüchtlinge in kleinen Gruppen aus Ungarn in Österreich an. Alte, humpelnde Frauen sind ebenso darunter wie viele junge Männer und Familien mit kleinen Kindern. Ein scheinbar nie versiegender Strom.
Polizisten weisen ihnen den Weg, die von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angekündigten Grenzkontrollen werden hier noch nicht umgesetzt. Auch vom Bundesheer ist noch nichts zu sehen – außer einige Grundwehrdiener aus Zwölfaxing, die bei der Verpflegung der gestrandeten Menschen Hand in Hand mit Rot-Kreuz-Mitarbeitern und Freiwilligen anpacken.
Rund 7000 Menschen dürften sich zu der Zeit schon in dem provisorischen Flüchtlingslager befinden, schätzt Gerald Pangl, Sprecher der Landespolizeidirektion Burgenland. Das Gelände liegt etwas außerhalb der 1800-Einwohner-Gemeinde Nickelsdorf. Wie viele Menschen am Montag noch kommen, traute sich niemand vorherzusagen, das Rote Kreuz rechnete am Nachmittag mit noch einmal 20.000 Menschen aus der ungarischen Flüchtlingsunterkunft Röszke, die offenbar geöffnet worden ist.
Wie schon in den letzten Tagen, gibt es kaum Informationen von den Nachbarn. Uninformiert über die Wiedereinführung der Grenzkontrollen in Deutschland sind auch viele Flüchtlinge, mit denen der KURIER spricht. „Wirklich?“, fragt ein syrischer Vater mit einem etwa einjährigen Kind zwei Mal nach, denn die meisten hier wollen nach „Germany“ oder „Sweden“. Diese Enttäuschung, so fürchten Polizei und Rotes Kreuz, könnte auch zu einem Kippen der an sich gelassenen Stimmung führen. Oder dazu, dass sich Gruppen einfach zu Fuß auf den Weg machen. Und tatsächlich sind am Pannenstreifen der Ostautobahn Richtung Wien Flüchtlinge zu sehen, weshalb die A4 am frühen Nachmittag abermals gesperrt wurde.
Zweiter Hotspot
"Wait, wait. Please, relax.“ Polizisten versuchen im südlichsten Bezirk des Burgenlandes, in Jennersdorf, den ankommenden Flüchtlingen klarzumachen, dass sie sich in Schlangen anstellen sollen. In der Nacht auf Montag ist der Übergang beim Wirtschaftspark Heiligenkreuz zu einem neuen Hotspot in der Flüchtlingskrise geworden. 4000 Migranten waren laut Polizeisprecher Gerald Koller bis Montagmittag eingetroffen. Weitere 1000 würden bis zum Abend erwartet.
Die Flüchtlinge waren zuvor mit Bussen bis an die ungarisch-burgenländische Grenze bei Szentgotthárd gebracht worden. Nach einem kurzen Fußmarsch wollen sie in einen der bereitstehenden Busse gelangen. „Die Leute sind diszipliniert, wir haben alles im Griff“, erklärte Koller. Die angekündigten Grenzkontrollen werden auch hier vorerst nicht umgesetzt. Mit Bussen werden die Migranten nach Graz gebracht, wo laut Koller „Kapazitäten“ geschaffen wurden.
Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) machte sich vor Ort ein Bild der Lage. Ein Mal mehr forderte er temporäre Grenzkontrollen und eine Umsetzung des Bundesheer-Assistenzeinsatzes.
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