Im Justizzentrum Eisenstadt läuft derzeit ein umfangreiches Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen § 3g des Verbotsgesetzes. Rund 20 Personen rund um Rotenturm im Bezirk Oberwart und aus der angrenzenden Steiermark haben demnach in einer Whatsapp-Gruppe namens „Schützenverein Rotenturm“ nationalsozialistisch konnotierte Texte und Bilder ausgetauscht: Die Inhalte seien im Internet „gezielt gesucht und weitergeleitet“ worden, sagte Landesgerichtspräsident Karl Mitterhöfer am Donnerstag zum KURIER.
Von Pin-up-Bildern mit Hakenkreuzen auf Frauenbrüsten bis zu Witzen über den Holocaust haben die Ermittler viel Einschlägiges in den Chats gefunden.
Gegen einige Personen wurden die Ermittlungen eingestellt, andere Verfahren an örtlich zuständige Staatsanwaltschaften wie Graz abgetreten. Die Mehrzahl – so weit bekannt allesamt Männer – muss wohl mit einer Anklage rechnen.
Nach der Verurteilung eines 37-jährigen „Schützen“ im heurigen März zu zwölf Monaten bedingter Haft und 3.600 Euro Geldstrafe, gibt es mittlerweile eine zweite, nicht rechtskräftige, Anklage gegen ein 48-jähriges Ex-Mitglied der ungustiösen Chatgruppe. Der Geschworenenprozess am Landesgericht Eisenstadt soll im Oktober stattfinden. Der Strafrahmen bei Verstößen gegen §3g des Verbotsgesetzes reicht von einem bis zu zehn Jahren.
„3g-Verfahren boomen derzeit“, sagt Mitterhöfer, seit 2010 Präsident des Landesgerichts. Auch im August stehen mehrere Prozesse an, die jedoch nichts mit der Rotenturmer Chatgruppe zu tun haben. Die ohnehin schon allgemein gesunkene Hemmschwelle vor allem bei Äußerungen in sozialen Medien sei durch die Corona-Lockdowns noch einmal tiefer gelegt worden, glaubt der Gerichtspräsident.
Wichtiger als die Suche nach Erklärungen sind ihm aber die Auswirkungen auf den Gerichtsbetrieb. Verfahren nach dem Verbotsgesetz obliegen Geschworenengerichten, die aufwendig und personalintensiv seien. Neben den acht Geschworenen sind drei Berufsrichter vorgesehen (21 Richterinnen und Richter gibt es am Landesgericht insgesamt). Verfahren gegen Schlepper seien in Eisenstadt zwar weit häufiger, die wären aber vergleichsweise schnell zu erledigen, betont Mitterhöfer. In die immer wieder aufflammende Diskussion, ob gelindere Verstöße gegen das Verbotsgesetz unbedingt vors Schwurgericht gehören, will sich der Präsident nicht einmischen: „Das ist eine Entscheidung der Politik“.
Zurück zur Schützen-Chatgruppe: In der 1.400-Einwohner-Gemeinde Rotenturm gibt es tatsächlich einen Sportschützenverein, laut Vereinsregister endete die Funktionsperiode im Februar 2021.
Ist dieser Verein identisch mit dem Chat-Verein, wollte der KURIER vom Obmann wissen. Das könne er nicht sagen, seines Wissens sei der Sportschützenverein aber bereits seit Jahren nicht mehr aktiv. Er selbst habe der Chatgruppe jedenfalls nicht angehört, versichert er.
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