"Nazikeller"-Prozess: Zehn Monate bedingt

Der 58-jährige "Kellerbesitzer" mit Anwalt Werner Tomanek vor Beginn des Prozesses.
"Ich bin ja nur ein Sammler". Gericht sah Vorwurf der Wiederbetätigung erfüllt.

In Eisenstadt fand am Donnerstag der Prozess um die sogenannte "Nazikeller"-Affäre statt. Aufgrund von Szenen, die im Dokumentarfilm "Im Keller" des Regisseurs Ulrich Seidl zu sehen waren, musste sich ein 58-jähriger Burgenländer wegen Wiederbetätigung nach Paragraf 3g des Verbotsgesetzes verantworten. Das Urteil: zehn Monate bedingt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab.

Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage nach dem Vorliegen einer Wiederbetätigung mit 7:1 Stimmen. Ebenfalls mit 7:1 wurde die Eventualfrage, ob der Angeklagte das Unrecht seiner Tat aufgrund eines Rechtsirrtums nicht erkannt habe, verneint. Das Gericht ordnete weiters an, die Gegenstände mit Bezug zur NS-Zeit wie Hakenkreuzfahnen, Hitlerbilder und Ähnliches zu konfiszieren.

Aufgrund des Überwiegens von Milderungsgründen habe man bei der Strafbemessung unter den Strafrahmen von ein bis zehn Jahren gehen können. Der 58-Jährige nahm das Urteil auf Anraten seines Verteidigers an.

Verteidiger Werner Tomanek hatte zu Prozessbeginn erklärt, sein Mandant bekenne sich nicht schuldig. Staatsanwalt Heinz Prinke sah hingegen den Vorwurf der Wiederbetätigung in zwei Punkten erfüllt: Der Angeklagte habe in seinem Keller mehrere Uniformen mit Hakenkreuz, Hakenkreuz-Fahnen und Abzeichen, die Skulptur eines Adlers mit Hakenkreuz, sowie Hitler-Bilder und NS-Abzeichen aufbewahrt und diese durch sein Mitwirken im Seidl-Film zur Schau gestellt. Außerdem habe der 58-Jährige mit seinem Blechblasinstrument das Lied "Es zittern die morschen Knochen" des NSDAP-Mitglieds Hans Baumann gespielt.

"Bilder sprechen für sich"

Vor einem Hitler-Porträt habe der Angeklagte gemeint, das sei "das schönste Hochzeitsgeschenk in meinem Leben", so Prinke. Der Dreh in dem Keller habe an sechs Tagen im Zeitraum vom 26. April bis 12. Juli 2009 stattgefunden. "Die Wortwahl und die Wahl des Musikstückes stammen alleine vom Angeklagten", erklärte der Staatsanwalt. "Die Bilder sprechen für sich", meinte der Ankläger.

Dass es "nicht eine der besten Ideen" des Angeklagten gewesen sei, an dem Film mitzuwirken, das stehe außer Streit, sagte sein Verteidiger. Der 58-Jährige sei "ein Sammler aus Leidenschaft" und habe zu Hause vieles aufbewahrt - vom alten Plattenspieler bis zu Uniformen aus der K. und K.-Zeit und auch solche aus der NS-Zeit. Der Besitz der Gegenstände, die er im Keller hatte, sei allein nicht strafbar, so Tomanek. Nur zeigen und propagieren dürfe man das nicht.

Dem Gericht erzählte der Angeklagte, der Kontakt mit Seidl sei über einen Freund zustande gekommen, der mit einer Sekretärin des Regisseurs liiert gewesen sei. So wurde er gefragt, ob er seinen Keller herzeige, weil Seidl Motive für seinen Film suche.

Frage nach rechtlicher Absicherung

Das Lied, das er in einer Szene gespielt habe, habe man "gemeinsam" ausgesucht. "Ich habe ein paar Lieder gespielt, die ich kannte. Und bei dem sind wir dann geblieben", schilderte der 58-Jährige. Er habe auch bei dem Dreh "immer wieder gefragt: Ist das rechtlich abgesichert?" und zur Antwort bekommen: Ja, das sei mit der Rechtsabteilung geklärt.

Die Vorsitzende des Senats, Karin Lückl, konfrontierte den Angeklagten auch damit, dass gegen ihn schon einmal wegen Wiederbetätigung ermittelt worden sei. Damals habe er Wein verkauft mit der Aufschrift: "Ein Volk, ein Reich, ein Führer - Heil Hitler, der Befreier Deutschlands". Warum er solchen Wein überhaupt besessen habe? "Weil das in meine Sammlung hineinpasst", antwortete der Burgenländer.

"Man hat schon den Eindruck, dass das, was sie hier sagen, von ihnen kommt, weil das ihre Auffassung ist", hielt ihm die Richterin seine Aussagen im Film vor. "Das stimmt nicht, dass das meine Auffassung ist. Ich bin nur ein Sammler", rechtfertigte sich der Angeklagte.

Seidl befragt

Am Donnerstagvormittag wurde auch Regisseur Ulrich Seidl über den Hergang des Filmdrehs in dem Keller befragt. Eine damalige Mitarbeiterin habe ihm erzählt, sie kenne einen Herrn, "der hat Nazi-Requisiten im Keller", schilderte Seidl. So habe er mit dem Burgenländer Kontakt aufgenommen.

Er sei mehrmals dort gewesen, um den Angeklagten kennenzulernen. Im Zuge eines Besuches habe er dann gesagt, dass er drehen wolle. Der Angeklagte habe ihm dann geantwortet, dass er sich das vorstellen könne.

Davon, dass der Film "scheitern" beziehungsweise womöglich gar nicht ins Kino kommen könnte, sei nicht gesprochen worden, widersprach Seidl Aussagen des Angeklagten. Jeder Film habe seine Verträge und müsse fertig werden: "ich hafte dafür", meinte der Regisseur.

Der 58-Jährige habe auch Bedenken geäußert und gesagt, dass er "sicher nichts" machen wolle, das irgendwie strafbar sei. Auch er selbst habe so etwas nicht gewollt und deshalb eine Rechtsberatung eingeholt, so Seidl.

Alles war "selbstverständlich inszeniert"

Auf die Frage der vorsitzenden Richterin Karin Lückl, wie der Dreh denn abgelaufen sei, antwortete er, es sei alles "selbstverständlich inszeniert. Es ist nichts zufällig passiert. Das ist sehr genau geplant." Im Film passiere, was der Wahrheit entsprechend sei für den jeweiligen Protagonisten: "Wo er sich hinbewegt, das ist von mir gekommen, der Text nicht."

Für die Auswahl des Liedes "Es zittern die morschen Knochen", das der Kellerbesitzer auf seinem Blasinstrument spielte, habe es "nicht wirklich einen Grund" gegeben. Man habe das genommen, von dem man in dem Moment geglaubt habe, dass es passe, meinte Seidl.

Der Anwalt des Angeklagten, Werner Tomanek, fragte den Regisseur, ob ihm bekannt sei, dass auch gegen ihn ermittelt und dass dieses Verfahren eingestellt worden sei. Seidl verneinte dies, er sei auch über die Einstellung nicht informiert worden. Ob er den Eindruck gehabt habe, dass es die Absicht des Angeklagten gewesen sei, sich im nationalsozialistischen Sinn zu betätigen? "Da ist er weit davon entfernt", antwortete der Filmemacher.

Auch ein Kameramann und ein Tontechniker wurden zu den Vorgängen am Filmset befragt. Der Angeklagte habe viel Wein getrunken - aber nicht so viel, dass er nicht gewusst habe, was er sage, meinte der Kameramann auf eine Frage aus dem Senat. "Er war immer ziemlich normal und irrsinnig nett. Das ist der Eindruck, den ich von ihm gehabt habe", erinnerte sich der Tontechniker an die Aufnahmen im Keller.

Zuvor hatte sich der Bruder des Angeklagten an einen Besuch im Haus erinnert. Dabei sei gesagt worden: "Es wird ein reiner Dokumentarfilm. Es wird nur abgefilmt." Er habe seinem Bruder gesagt, er würde das (den Keller, Anm.) nicht filmen lassen.

Weiterführende Artikel:

Kommentare