"Ein genüsslicher Anarchist"
„Arbeit ist tatsächlich das einzige, was das Leben erträglich macht“.
Der Satz aus Günter Ungers 1996 entstandenem Bühnenstück „Malwine oder Die Macht der Konformisten“ gilt auch für den mittlerweile 83-jährigen Kulturkatalysator selbst. Unermüdlich produziert der frühere Leiter der Kulturabteilung des ORF-Landesstudios (1970-2001) in seinem Haus in Großhöflein Buch um Buch.
Günter Unger wurde 1941 in Eisenstadt geboren. Seine Eltern stammten aus dem Südburgenland
1959 maturierte er im Gymnasium Mattersburg, anschließend Studium der Geschichte an der Uni Wien
Von 1970 bis 2001 leitete Unger die Kulturabteilung im ORF-Landesstudio Burgenland, daneben war er Herausgeber der Literaturzeitschrift "Wortmühle", Leiter der internationalen Hörspieltage und Gründer des Hertha-Kräftner-Archivs
Unger ist in zweiter Ehe mit der Schriftstellerin Helene Flöss verheiratet und lebt seit mehr als 30 Jahren in Großhöflein
16 sind es inzwischen. Die Vielfalt der Themen spiegelt die unstillbare Neugier des Historikers wider: Die Biografie der Ordensfrau und Pädagogin Gabriele Strausz gehört ebenso zu Ungers Œuvre wie zahlreiche sachkundige Bände zur Bildenden Kunst im Burgenland, die maßgeblich von Zugezogenen bestimmt wurde und wird. Nicht zu vergessen sind Ungers eigene künstlerische Arbeiten, Stücke, Gedichte und Romane.
Die lapidare Begründung für die Emsigkeit des Solitärs der burgenländischen Kunst- und Kulturlandschaft: „Was soll ich sonst machen? Aufs Sterben warten?“
Das jüngste Werk widmet sich der „wundersamen Welt“ der Malerin Annelie Wagner. Titel: „Wölfe Schafe Dämonen“. Unger wie Wagner stammen aus dem Südburgenland, heute wohnen sie in Großhöflein fast Haus an Haus. Welche Bedeutung hat Unger für Bildende Künstler im Land? „Eine sehr große. Er kennt so gut wie alle Künstler und kann deren Arbeiten kompetent beurteilen und einordnen“, meint Wagner.
Dass Unger dereinst Autor, Hörspielproduzent, Kulturpublizist, Filmemacher und – vielleicht über allem – Wegbereiter und Vermittler junger Künstlerinnen und Künstler werden sollte, war ihm nicht in die Wiege gelegt.
Sein Vater stammte aus Deutsch Schützen und wurde als Zöllner nach Klingenbach beordert, wo Günter Unger seine ersten Lebensjahre verbrachte, ehe der Vater nach Mattersburg versetzt wurde. Nach der Matura am Gymnasium Mattersburg im Jahr 1959 studierte er Geschichte an der Universität Wien.
Ein Studienkollege war der spätere ORF-Sportmoderator und Opern-Experte Sigi Bergmann, der bei seinem Onkel, dem Wiener Weihbischof Joseph Streidt, im erzbischöflichen Palais lebte. Weil es dort genug Platz gab, fragte Bergmann Unger, ob er nicht auch im Palais logieren möchte.
Unger, obwohl strikt „antiklerikal“, nahm das Angebot dankend an und hatte für zwei Jahre eine Bleibe im Palais. Weil er nach dem Studium (Dissertation: „Die christlich-soziale Partei im Burgenland“) nicht Lehrer werden wollte, versuchte Unger eine Karriere in der Schuhbranche bei Humanic.
Parallel bewarb er sich bei zahlreichen Verlagen im deutschsprachigen Raum – um am Ende beim neu gegründeten ORF-Landesstudio im Burgenland zu landen.
Anfang der 1970-er Jahre wollten die wenige Jahre zuvor an die Macht gekommenen Sozialdemokraten das „rückständigste Bundesland“ auf allen Ebenen modernisieren. In einer Parallelaktion machte Unger als Leiter der Abteilung für Kultur, Wissenschaft, Literatur und Hörspiel im regionalen Rundfunk viel mehr als das.
Wiewohl ohne Berührungsängste zu Politikern wie Fred Sinowatz (SPÖ) oder Franz Sauerzopf (ÖVP), wollte sich Unger nie vereinnahmen lassen: „Zur Partei gehe ich nicht“, habe er einem politischen Granden einmal beschieden, erzählt Unger, denn: „Ich bin meine eigene Partei“. Vielleicht ein Grund, warum er niemals ORF-Landesintendant wurde.
Stattdessen bot Unger jungen Autoren die Möglichkeit, ihre Texte einem breiteren Publikum vorzustellen – auch in der Literaturzeitschrift „wortmühle“, die Unger 18 Jahre lang verantwortete. Dort veröffentlichten aber auch Schriftsteller, die inzwischen Nobelpreiskandidaten sind, etwa der Ungar Peter Nadas.
Arrivierte Vertreter der Bildenden und Darstellenden Kunst, die ins Burgenland gezogen oder zurückgekommen waren – von Walter Pichler bis Otto Muehl – machte Unger im dörflichen Land bekannt. Darüberhinaus wurde das ORF-Landesstudio unter Ungers Leitung zu einer der ersten internationalen Adressen des Hörspiels.
15 Jahre stand Unger auch an der Spitze der von Jan Rys begründeten Internationalen Hörspieltage in Unterrabnitz und später in Rust. Damals junge Autoren wie Peter Turrini, Andreas Okopenko, Peter Rosei oder Jutta (heute Julian) Schutting fühlten sich bei Unger gut aufgehoben.
Auch Peter Wagner, ebenfalls ein Südburgenländer, gehörte dazu. Der anfangs als linker Bürgerschreck geltende Wagner stand „weltanschaulich ziemlich konträr“ zu Unger, den man landläufig „eher im konservativen Eck“ verortete.
Aber daran hat Wagner nach jahrzehntelanger Freundschaft zu Unger seine Zweifel: „Ich halte ihn eigentlich für einen genüsslichen Anarchisten“. In gewisser Weise sei Unger für ihn gar „lebensprägend“ gewesen. Wagner: „Er hat mir 1983 im Rundfunk die Möglichkeit gegeben, Regie zu führen – so bin ich ins Regiefach gekommen“.
Wegbereiter und -begleiter war Unger aber für Viele, weiß Wagner: „Er hat viel Gutes für die Kultur getan“.
Kommentare