Der Weg von der Opposition in die Koalition ist oft mühsam und steinig. Den burgenländischen Grünen blieb diese Tortur erspart.
Die SPÖ habe dem künftigen Regierungspartner nie das Gefühl vermittelt, der kleinere Partner zu sein, bedankt sich Grünen-Landessprecherin Anja Haider-Wallner beim roten Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Mehr noch. Während der kurzen Koalitionsverhandlungen in Eisenstadt habe man auch Zeit gefunden, „freundschaftlich zu lachen“.
Gut eine Woche haben Rot und Grün im Burgenland nur gebraucht, um sich auf ein 130-seitiges Regierungsübereinkommen zu verständigen, das der alte und neue Landeshauptmann und seine neue Stellvertreterin am Mittwoch im Eisenstädter Kulturzentrum präsentierten – wo seit Dienstag vergangener Woche die erste rot-grüne Landesregierung des Burgenlandes geschmiedet wurde.
Wobei: Beiden geht es nicht nur darum, „die Lebensumstände der Burgenländerinnen und Burgenländer nachhaltig zu verbessern“, sondern auch um ein Gegenmodell zur erwarteten blau-schwarzen Bundesregierung.
Sowohl Doskozil als auch Haider-Wallner kommen schon nach ein paar Sätzen auf die Bundesebene, wo „der Streit bis zu einem gewissen Grad eskaliert“ (Doskozil) und ein „Rechtsruck“ drohe, der „fünf dunkle Jahre“ bringe (Haider-Wallner).
Das „Burgenland ist anders“, verspricht die Chefin der 5,7-Prozent-Partei, „ein Gegenmodell zum rechtspopulistischen Getöse“.
Besser hätte es Doskozil auch nicht sagen können.
Ein Kontrastprogramm zum Bund will das rot-grüne Burgenland in puncto politischer Kultur und inhaltlicher Positionen bieten. Er habe, so der 54-jährige Doskozil, schon viele Regierungsverhandlungen erlebt, aber noch nie in dieser „größtmöglichen Offenheit“, wie mit den Grünen.
"Burgenländischer Weg"
Inhaltlich soll der „eigenständige burgenländische Weg“, den Doskozil schon seit seiner Alleinregierung ab 2020 beschreitet, fortgesetzt werden: „bodenständig, normal, vernünftig“.
Während er „als Medienkonsument“ von den Verhandlern im Bund in den vergangenen Wochen „kein Wort über Gesundheitsversorgung oder Ärztemangel“ gehört habe, stünden diese Themen – wie auch die Pflege – im Burgenland weiterhin ganz oben.
Seinen eigenen Weg von „Rechtsstaatlichkeit und Humanismus“ will Doskozil auch bei Asyl und Migration weitergehen – und die Grünen marschieren mit:
So soll gemeinnützige Arbeit von Asylwerbern für Gemeinden, Land oder NGOs „ausgerollt werden“, wenn Grundversorgung beansprucht wird. Auch an der Obergrenze von maximal 330 Plätzen in der Grundversorgung wird festgehalten.
„Saubere Politik“
Anders als andere Bundesländer lehnt das Burgenland aber eine Bezahlkarte in der Grundversorgung ab – denn das sei bloß „polemische Politik“, meint Doskozil.
Einen Sonderweg schlägt das Land auch in Sachen „Sauberkeit in der Politik“ ein. Im Fall einer rechtskräftigen strafrechtlichen Anklage gegen Regierungsmitglieder, Abgeordnete oder Bürgermeister soll landesgesetzlich festgelegt werden, dass die Betroffenen automatisch ihre Funktionen ruhend stellen müssen. Diese Regelung soll zusätzlich zu den bundesgesetzlichen Vorgaben für Amtsverlust nach Verurteilungen gelten.
Kann die SPÖ, die bei der Landtagswahl am 19. Jänner ihre absolute Mehrheit verloren hat und 46,4 Prozent der Stimmen erreichte, also auch ohne „Absolute“ quasi absolut weiterregieren?
„Es gibt im Regierungsübereinkommen einen durchgängigen grünen Faden“, tritt Haider-Wallner dieser Einschätzung entgegen. Die 45-Jährige, die seit einem halben Jahr im Landtag sitzt und davor Eisenstädter Gemeinderätin war, wird als Landeshauptmannstellvertreterin etwa für Umwelt, Naturschutz, Energie und Landwirtschaft zuständig sein.
Der Standort des geplanten Krankenhauses in Gols in einem Natura-2000-Gebiet war jahrelang ein Streitfall zwischen Rot und Grün. Noch im November forderte Haider-Wallner einen „neuen Standort und transparente Finanzierung“.
Und nun? Man habe einen Kompromiss geschlossen. Das Spital „wird gebaut“, so die Grüne, aber dafür würden Ersatzflächen in der doppelten Größe neu als Naturschutzgebiet gewidmet oder renaturiert. Haider-Wallner: „Es gibt Maßnahmen, die uns schmerzen und andere, die die SPÖ ein bisschen schmerzen.“
Dafür, die nur mit einer knappen Mehrheit ausgestattete Koalition (19 von 36 Mandaten) zusammenzuhalten, sollen zwei Regierungskoordinatoren sorgen. Wer das grüne Pendant für Robert Hergovich in dieser Funktion wird, entscheide der Klub in den nächsten Tagen, so Haider-Wallner.
Die designierte Landeshauptmannstellvertreterin räumte auf eine KURIER-Frage ein, dass ihr Büro noch nicht voll besetzt starten werden. Ihre Vorgängerin Astrid Eisenkopf, die Haider-Wallner Platz machen musste und nun Erste Landtagspräsidentin wird, hatte zuletzt 13 Mitarbeiter in ihrem Büro.
Klar ist aber bereits, dass der bisherige Kabinettschef von Ministerin Leonore Gewessler, Felix Ehrnhöfer, Büroleiter von Haider-Wallner wird. Er war auch einer der Verhandler bei den Koalitionsverhandlungen.
Kritik am rot-grünen Regierungsprogramm kam von FPÖ und ÖVP. Der designierte freiheitliche Klubobmann Norbert Hofer störte sich an der Finanzpolitik und dem Umgang mit Steuergeld. „Die Grünen sind in dieser Koalition nicht die Bremse, sondern ein Beschleuniger, wenn es darum geht, das Land weiterhin finanziell über Gebühr zu belasten“, meinte Hofer.
Ein „Korrektiv“ will er deshalb selbst als Vorsitzender des Rechnungshofausschusses werden. Für ÖVP-Landesparteiobmann Christian Sagartz werde Doskozil "seinen wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs sowie seinen Umgang mit den Gemeinden" auch in einer rot-grünen Koalition fortsetzen.
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